Poor Economics
Dazu kommt, dass es schwieriger geworden ist, ein hohes Bildungsniveau zu gewährleisten. Die Bildungssysteme stehen überall auf der Welt unter Druck. Die Schülerzahlen sind schneller gestiegen als die Ressourcen, und mit dem Anwachsen der Hightech-Branchen gibt es weltweit eine wachsende Nachfrage nach gut ausgebildeten Leuten, die vorher in der Regel den Lehrerberuf ergriffen haben. Nun werden sie stattdessen Programmierer, Systemanalytiker oder Bankkaufleute. Dadurch wird es zunehmend schwieriger, gute Lehrer zu finden, vor allem für die weiterführenden Schulen.
Gibt es einen Weg aus diesem Dilemma, oder ist das Problem zu groß?
Der Umbau des Bildungssystems
Die gute Nachricht – und es ist wirklich eine sehr gute Nachricht – lautet: Alles deutet darauf hin, dass es nicht nur möglich ist, jedem Kind in der Schule das notwendige Basiswissen zu vermitteln, sondern dass sich das sogar ganz einfach erreichen lässt, wenn man sich allein darauf (und auf nichts anderes) konzentriert.
Ein bemerkenswertes soziales Experiment in Israel zeigt, wie viel Schulen tun können. Im Jahr 1991 wurden an einem einzigen Tag 15 000 äthiopische Juden mit ihren Kindern von Addis Abeba ausgeflogen und auf Gemeinden in ganz Israel verteilt. Kinder, deren Eltern im Schnitt ein bis zwei Jahre die Schule besucht hatten, gingen nun mit israelischen Kindern in die Grundschule, deren Eltern entweder schon lange dort als Siedler gelebt hatten oder die vor kurzem erst aus Russland immigriert waren und die im Schnitt 11,5 Schuljahre vorweisen konnten. Die familiären Hintergründe hätten nicht unterschiedlicher sein können. Jahre später, als die 1991 eingeschulten Kinder ihre Highschoolabschlüsse machten, hatten sich die Unterschiede beträchtlich verringert. Von den äthiopischen Kindern hatten 65 Prozent die 12. Klasse erreicht, ohne eine Klasse zu wiederholen, bei den Kindern der russischen Immigranten lagen die Zahlen nur wenig höher, bei 74 Prozent. Das heißt, dass selbst die größten Nachteile, was den familiären Hintergrund und die frühen Lebensbedingungen angeht, kompensiert werden können (zumindest in israelischen Schulen), wenn die Bedingungen stimmen. 36
Erfolgreich verlaufene Experimente zeigen uns, wie man solche Bedingungen schaffen kann. Das Wichtigste ist, sich auf die Grundfertigkeiten zu konzentrieren und darauf zu bauen, dass jedes Kind diese Fertigkeiten erlangen kann, solange es selbst und sein Lehrer sich wirklich darum bemühen. Das ist der Grundgedanke des Pratham -Programms, aber auch eine Einstellung, die hinter dem Motto »no excuse« (»Keine Ausreden«) der US-amerikanischen charter schools steckt. 37
Diese Schulen, zu denen etwa die Schulen des Knowledge-Is-Power (»Wissen ist Macht«)-Programms, die Harlem Children’s Zone und andere gehören, kümmern sich vor allem um Schüler aus armen (insbesondere schwarzen) Familien. Ihr Lehrplan konzentriert sich auf die solide Vermittlung der Grundfertigkeiten, gleichzeitig wird ständig überprüft, was die Kinder wirklich wissen. Ohne diese Kontrolle wäre es unmöglich, ihre Fortschritte zu beurteilen.
In mehreren Studien, die so angelegt waren wie die, die Gewinner und Verlierer der Schule-gegen-Bargeldtransfer-Verlosung verglichen hatten, konnte nachgewiesen werden, dass die Charterschulen sehr effektiv und erfolgreich arbeiten. Wenn man die Kapazitäten der Charterschulen vervierfachen würde, ohne das demographische Profil der Schülerschaft zu verändern, könnte man den in der Stadt existierenden Leistungsunterschied zwischen schwarzen und weißen Schülern in den Mathe-Tests vermutlich um bis zu 40 Prozent verringern – das lässt eine in Boston durchgeführten Studie an Charterschulen vermuten. 38 Der Mechanismus ist exakt derselbe wie in den Pratham -Programmen: Kinder, die im normalen Schulsystem völlig verloren sind (ihre Testergebnisse liegen meilenweit unter denen anderer Kinder, wenn sie auf die Charterschulen wechseln), erhalten die Chance aufzuholen und viele nutzen sie.
Eine weitere gute Nachricht aus der Arbeit von Pratham: Der Schulungsaufwand für gute Nachhilfelehrer ist relativ gering, zumindest für die in den unteren Klassen unterrichtenden. Die Freiwilligen, die so dramatische Veränderungen erzielt hatten, waren überwiegend Collegestudenten oder Leute, die eine Woche oder zehn Tage lang in Pädagogik geschult worden waren. Doch die Schulung ging über die Vermittlung von Lesen und Grundrechenarten hinaus. Im
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