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Poor Economics

Poor Economics

Titel: Poor Economics Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abhijit Banerjee , Esther Duflo
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alles Notwendige mit der gebotenen Sorgfalt zu prüfen: Sie leben nicht im Dorf, sie kennen die Leute nicht und sie wechseln häufig. Anständige Banken können nicht mit kabuliwalas konkurrieren. Sie können nicht ohne Weiteres damit drohen, säumigen Kunden die Kniescheibe zu zerschmettern oder gar Eunuchen zu schicken. Der indische Zweig der Citibank bekam ernstliche Schwierigkeiten, als bekannt wurde, dass sie goondas (lokale Schlägertrupps) engagiert hatte, um Schuldner zu bedrohen, die ihren Autokredit
nicht zurückzahlten. Doch eine Klage vor Gericht hilft auch nicht wirklich weiter. 1988 berichtete die indische Gesetzgebungskommission, dass 40 Prozent der Anträge auf Vermögensliquidation (bei zahlungsunfähigen Schuldnern) mehr als acht Jahre anhängig waren. 7 Versetzen Sie sich in die Lage des Kreditgebers: Sogar wenn dieser sich sicher ist, die Klage gegen die zahlungsunfähige Firma zu gewinnen, wird es Jahre dauern, bis er an die Sicherheiten kommt (Zeit, die der Schuldner nutzen kann, um sein Betriebsvermögen verschwinden zu lassen). Aus der Sicht des Kreditgebers mindert all das natürlich den Wert, den das Vermögen eines Kreditnehmers bei Aufnahme des Darlehens hat. Nachiket Mor, seinerzeit einer der stellvertretenden Direktoren der ICICI Bank, erzählte uns einmal von seiner, wie er geglaubt hatte, brillanten Idee, wie man Bauern dazu bekommen könnte, ihre Kredite zurückzuzahlen. Bevor er das Darlehen auszahlte, verlangte er von ihnen einen vorausdatierten Scheck über denselben Betrag. Dahinter steckte die Überlegung, dass die Bank, wenn der Bauer den Kredit nicht zurückzahlte, die Polizei losschicken könnte, um die Einlösung des Schecks zu verlangen, denn einen Scheck nicht zu bedienen ist eine Straftat. Das funktionierte eine Weile ganz gut. Doch als die Polizei feststellte, dass sie auf einmal Hunderte von geplatzten Schecks zu verfolgen hatte, teilte sie der Bank freundlich mit, das sei nun wirklich nicht ihr Job.
    Aber selbst wenn es der Bank gelingt, ihr Geld zurückzubekommen, kann noch etwas schiefgehen: Banken schätzen es nicht, mit Schlagzeilen wie »Bauer begeht Selbstmord« in Verbindung gebracht zu werden. Und um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, erlassen Regierungen mit Vorliebe Schulden, wenn Wahlen vor der Tür stehen. All dies zusammengenommen, muss man sich nicht wundern, dass Banken lieber darauf verzichten, Armen Kredite zu gewähren, und dieses Geschäftsfeld den Geldverleihern überlassen. Doch obwohl Geldverleiher ihr Geld leichter zurückbekommen, müssen sie doch sehr viel mehr für das verliehene Geld bezahlen als eine Bank. Das liegt daran, dass wir unsere Ersparnisse aus Sicherheitsgründen lieber bei einer Bank
deponieren, selbst wenn wir nur wenig Zinsen bekommen, während kaum jemand in Erwägung ziehen würde, sein Erspartes einem Geldverleiher anzuvertrauen. Das, der Multiplikatoreffekt und das Monopol, das Geldverleiher oft haben, erklärt, weshalb die Armen so hohe Zinssätze zahlen müssen.
    Das Neue an den Projekten von Muhammad Yunus und Padmaja Reddy war also nicht, den Armen einfach Geld zu besseren Zinssätzen anzubieten – es war der Weg, wie man das am besten tut.
    Mikroverständnis für ein Makroprogramm
    Die Anfänge in den Siebzigern waren bescheiden, mit dem Bangladesh Rehabilitation Assistance Committee (inzwischen fast nur noch als BRAC bekannt) und der Grameen Bank, doch heute sind die Mikrokredite ein globales Phänomen. Sie haben zwischen 150 und 200 Millionen Kreditnehmer, vor allem Frauen, erreicht und sind für noch viel mehr verfügbar. Das Phänomen wird manchmal – beinahe wie eine Gestalt aus der griechischen Sagenwelt – als Tier mit zwei Köpfen beschrieben, von denen einer nach Profit strebt und der andere eine soziale Mission verfolgt. Und wie es aussieht mit beeindruckenden Erfolgen an beiden Fronten. Zum einen erhielten Muhammad Yunus und die Grameen Bank, nach einer ganzen Reihe von Auszeichnungen, 2006 als krönenden Höhepunkt den Friedensnobelpreis; zum anderen war der Börsengang von Compartamos, einem großen mexikanischen Mikrofinanzdienstleister, im Jahr 2007 ein (umstrittener) Triumph für die kommerzielle Seite. Der Börsengang brachte Compartamos 467 Millionen US-Dollar ein, obwohl dabei auch deren Zinssätze von 100 Prozent und mehr ins Blickfeld gerieten. (Yunus äußerte öffentlich sein Missfallen und nannte die Compartamos -Geschäftsführer die neuen Wucherer, doch andere Mikrofinanzinstitute

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