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Poor Economics

Poor Economics

Titel: Poor Economics Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abhijit Banerjee , Esther Duflo
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werden Mikrokredite für etwa 4 Prozent im Monat (60 Prozent pro Jahr) angeboten, die einfachste Alternative, Finanzierung durch Kreditkartenschulden, kostet zwischen 12 und 20 Prozent pro Monat (bzw. 289 bis fast 800 Prozent pro Jahr). Kreditausfälle sind – man glaubt es kaum – extrem selten, wenigstens solange die politische Lage stabil ist. Der Anteil ausfallgefährdeter Kredite, das heißt: Kredite, die eventuell platzen könnten, aber nicht zwangsläufig müssen, lag in Südasien unter 4 Prozent und in den meisten lateinamerikanischen und afrikanischen Ländern bei höchstens 7 Prozent. 10 Mit 150 bis 200 Millionen Kunden hat sich das Mikrofinanzwesen einen der vordersten Plätze auf der Liste der Armutsbekämpfungsprogramme verdient. Aber funktioniert es auch?
    Funktionieren Mikrokredite?
    Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, was Sie mit »funktionieren« meinen. Für die Enthusiasten unter den Förderern des Mikrofinanzwesens bedeutet es »das Leben der Menschen verändern«. Der »Rat zur Unterstützung der Armen« ( Consultative Group to Assist the Poor, CGAP), eine Organisation, die bei der Weltbank angesiedelt ist und sich für Mikrokredite stark macht, schrieb auf ihrer Website: »Wir haben immer mehr Belege dafür, dass die Verfügbarkeit von Finanzdienstleistungen für arme Haushalte – Mikrofinanzdienste – dabei hilft, die Millenium-Entwicklungsziele zu erreichen.« 11 (Zu diesen Zielen gehören unter anderem die Grundschulausbildung für alle Kinder, die Senkung der Kindersterblichkeit und die Verbesserung der Gesundheit von Müttern.) Die Grundidee dahinter ist, Frauen wirtschaftlich zu stärken, weil sich Frauen eher um solche Themen kümmern als Männer.
    Anders als die CGAP behauptet, gab es bis vor kurzem jedoch
leider kaum Belege für Antworten auf diese Frage, gleich welcher Art. Was die CGAP als Belege bezeichnete, waren in Wahrheit lediglich Fallbeispiele, die oft von den Mikrofinanzinstituten selbst geliefert wurden. Vielen Förderern des Mikrofinanzwesens scheint dies jedoch zu genügen. Wir haben uns mit einem prominenten Risikokapitalgeber und Investor aus der IT-Branche unterhalten, der zu den Förderern des Mikrofinanzwesens gehört (er war einer der ersten Geldgeber von SKS Microfinance ). Er sagte uns, er brauche keine weiteren Belege, er habe genug »anekdotische Daten« gesehen, um Bescheid zu wissen. Doch solche Daten genügen nicht, um die Skeptiker zu überzeugen, unter denen sich auch breite Regierungskreise befinden, die Angst haben, Mikrokredite könnten sich als moderne Form des Wuchers herausstellen. Im Oktober 2010, gerade zwei Monate nach dem erfolgreichen SKS-Börsengang, warf die Regierung von Andhra Pradesh dem Unternehmen vor, für den Selbstmord von siebenundfünfzig Bauern verantwortlich zu sein. Angeblich seien diese durch die rabiaten Eintreibungsmethoden der Kreditbeauftragten auf unzumutbare Art und Weise unter Druck gesetzt worden. Einige Kreditbeauftragte von SKS und Spandana wurden verhaftet, und die Regierung erließ ein Gesetz, das das Verfahren der wöchentlichen Kreditrückzahlungen schwieriger machte. Unter anderem durften die Rückzahlungen nur noch in Gegenwart einer gewählten Amtsperson erfolgen – was die Schuldner ganz klar als Signal verstanden, dass sie nichts zurückzuzahlen brauchten. Anfang Dezember saßen die Kreditbeauftragten der größten Mikrofinanzinstitute (SKS, Spandana, Share ) immer noch untätig herum, und die Verluste wuchsen und wuchsen. Die positiven Berichte und die Versicherung von Vikram Akula, dem Vorstandsvorsitzenden von SKS, dass die 57 toten Bauern nicht mit ihren Kreditraten in Verzug waren, so dass sie aller Wahrscheinlichkeit nach nicht von den Kreditbeauftragten in den Selbstmord getrieben wurden, änderten kaum etwas an der Lage.
    Ein Grund, weshalb den Mikrofinanzinstituten gute Argumente zu ihrer Verteidigung fehlten, war, dass sie es nicht für nötig
befunden hatten, handfeste Beweise für den Erfolg ihres Tuns zu sammeln. Als wir (ab etwa 2002) an MFIs herantraten und anboten, ihre Arbeit zu evaluieren, erhielten wir meist ablehnende Antworten der Art »Wir brauchen ebenso wenig eine Evaluation wie ein Apfelverkäufer«. Damit meinten sie, wenn die Kunden wiederkommen, muss der Kredit ihnen auch geholfen haben. Und weil sich die Mikrofinanzinstitute finanziell selber tragen, also nicht von der Großzügigkeit von Spendern abhängen, brauchten sie auch nicht genau zu wissen, wie gut sie sind.

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