Poor Economics
zurückzuzahlen braucht? Aber warum verleihen Privatbanken kein Geld an kleine Unternehmer? Diese würden bis zu 4 Prozent pro Monat dafür bezahlen, was viel mehr ist, als eine Bank üblicherweise für einen Kredit erhält. Das würde sich doch lohnen. Mittlerweile gibt es in den USA Websites, die es potenziellen Geldgebern in reichen Ländern ermöglichen, Unternehmern in armen Ländern Geld zu leihen. Haben diese Leute womöglich etwas begriffen, was anderen entgangen ist?
Oder umgekehrt: Können informelle Geldgeber vielleicht etwas, das Bankhäuser nicht können? Was könnte das sein? Und warum ist es billiger, Geld an Reiche zu verleihen?
Von der Schwierigkeit, sein Geld zurückzubekommen
Eine Standarderklärung für die Tatsache, dass manche Leute höhere Zinssätze zahlen müssen, lautet: »weil bei ihnen das Ausfallrisiko höher ist«. Das zeigt ein einfaches Rechenbeispiel: Angenommen ein Geldverleiher muss für 100 Rupien, die er verleiht, durchschnittlich 110 Rupien zurückbekommen, nur um im Geschäft
zu bleiben (weil er damit seine eigenen Kosten deckt). Ohne Ausfälle könnte er den Zins auf 10 Prozent ansetzen. Aber wenn die Hälfte seiner Kunden den Kredit nicht zurückzahlt, muss er von der anderen Hälfte mindestens 220 Rupien bekommen; deshalb verlangt er einen Zins von 120 Prozent. Im Gegensatz zu staatlich subventionierten Bankkrediten sind die Ausfallraten bei informellen Krediten allerdings ziemlich gering. Sie werden oft verspätet zurückgezahlt, aber Komplettausfälle sind wirklich selten. Eine Studie untersuchte auf dem Land lebende Geldverleiher in Pakistan: Ihre Ausfallrate lag im Mittel (Median) bei gerade einmal 2 Prozent, und das, obwohl sie durchschnittlich 78 Prozent Zins verlangten. 5
Das Problem ist, dass sich diese niedrigen Ausfallraten nicht von selbst ergeben, sondern vom Geldverleiher hart erarbeitet werden müssen. Verliehenes Geld zurückzubekommen ist nie einfach. Wenn der Kreditnehmer den mit dem Darlehen erzielten Erlös vergeudet oder wenn er Pech hatte und über keine flüssigen Mittel verfügt, dann gibt es auch nichts zu holen – und der Kreditgeber kann herzlich wenig tun, um sein Geld zurückzubekommen. Unter diesen Umständen ist es für den Kunden verführerisch, so zu tun, als habe er kein Geld, selbst wenn das nicht stimmt, was die Angelegenheit für den Geldverleiher noch schlimmer macht. Wenn er das ungeprüft durchgehen lässt, bekommt er sein Geld nie zurück, selbst wenn das Projekt des Kreditnehmers ein Erfolg wird.
Überall auf der Welt versuchen sich Kreditgeber gegen die verschiedenen Formen des Kreditausfalls zu schützen, indem sie eine Anzahlung (im Fall von Ratenkäufen), Sicherheiten oder eine Eigenbeteiligung (der Unternehmer steuert einen Teil des Gründungskapitals aus der eigenen Tasche bei) verlangen. Wenn der Kreditnehmer die Schuld nicht begleicht, erhält der Kreditgeber die Sicherheiten. Je mehr für den Kunden auf dem Spiel steht, desto geringer ist die Versuchung, sich mit dem Geld aus dem Staub zu machen. Umgekehrt heißt das, je größer das Pfand ist, das der Kunde anbieten kann, desto größer kann auch das
Darlehen sein. Damit sind wir beim Zusammenhang zwischen der Darlehensgröße und dem bereits vorhandenem Vermögen des Kreditnehmers angekommen, wie er im Allgemeinen üblich ist (zumindest bis anzahlungsfreie Hypotheken in Mode kamen). In Frankreich sagt man: »On ne prête pas qu’aux riches.« (»Geld leiht man nur den Reichen.«)
Doch das bedeutet nur, dass arme Kreditnehmer weniger Geld aufnehmen können, es erklärt noch nicht, warum sie so hohe Zinsen zahlen sollen oder warum sich Banken weigern, ihnen Kredit zu geben. Hier spielt noch etwas anderes mit hinein. Um die Kreditraten einziehen zu können, muss der Geldgeber einiges über seinen Kunden wissen. Manches wüsste er gerne schon vor der Kreditvergabe, zum Beispiel ob der Kunde vertrauenswürdig ist. Andere Informationen, wie der Aufenthaltsort oder die Art des Geschäfts, sind wichtig, wenn man die Raten eintreiben muss. Unter Umständen möchte der Kreditgeber seinen Klienten auch im Auge behalten und ihn von Zeit zu Zeit aufsuchen, um sich davon zu überzeugen, dass das Geld für den vereinbarten Zweck ausgegeben wird, und um das Geschäft nötigenfalls in die gewünschte Richtung anzuschieben. All das kostet Zeit, und Zeit ist Geld. Deshalb muss der Zinssatz hoch genug sein, um diese Kosten abzudecken.
Viele dieser Kosten hängen jedoch nicht von der
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