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Poor Economics

Poor Economics

Titel: Poor Economics Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abhijit Banerjee , Esther Duflo
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einige Staaten haben neue Gesetze erlassen, die diese Art des Einlagengeschäfts erlauben, Indien beispielsweise den Banking Correspondent Act (»Bankpartner-Gesetz«). Damit könnte das gesamte Spargeschäft revolutioniert werden.
     
    Auf internationaler Ebene gibt es im Moment viele Bemühungen, allen voran von der Bill & Melinda Gates Foundation, den Zugang zu Sparkonten für Arme zu verbessern. Mikrosparen ist auf dem besten Weg, die nächste Mikrofinanzrevolution zu werden. Aber ist der Zugang zu konventionellen Sparkonten das einzige Problem? Genügt es, sich darauf zu konzentrieren, Sparen leicht und sicher zu machen? Aus den Ergebnissen von Pasqualine Dupas und Jonathan Robinson kann man ablesen, dass dies wohl nicht alles ist. Das Erste, was irritiert: Die meisten Männer machten keinen Gebrauch von den kostenlosen Konten. Aber auch viele Frauen nutzten sie nicht oder kaum: 40 Prozent zahlten nie etwas ein, nur knapp die Hälfte machte mehr als eine Einzahlung, und viele, die das Konto anfänglich nutzten, hörten nach einer Weile damit auf. Eine andere kenianische Studie bot Ehepaaren
bis zu drei kostenlose Konten an (eines für jeden Partner und ein Gemeinschaftskonto) 4 , doch nur 25 Prozent der Paare zahlte überhaupt auf eines der Konten Geld ein. Bei Paaren, die eine ebenfalls kostenlose Karte für die Benutzung des Geldautomaten erhielten, um Einzahlungen und Abhebungen einfacher und billiger zu machen, stieg der Prozentsatz auf gerade einmal 31 Prozent. Sparkonten sind durchaus hilfreich, so viel steht fest. Aber die schlechten Rahmenbedingungen sind nicht der einzige Grund, warum Arme nicht sparen.
    Im vorigen Kapitel haben wir bereits ein anderes Beispiel gesehen, bei dem Menschen eine lohnende Gelegenheit gehabt hätten zu sparen, es aber nicht taten: die Obst- und Gemüseverkäufer von Chennai, die sich jeden Morgen 1 000 Rupien (45,75 PPP-USD) für einen Zinssatz von 4,69 Prozent pro Tag liehen. Nehmen wir einmal an, die Verkäufer würden beschließen, drei Tage lang zwei Tassen Tee pro Tag weniger zu trinken. Damit könnten sie 5 Rupien pro Tag sparen und die Summe, die sie sich leihen müssen, entsprechend verringern. Nach einem Tag mit verringertem Teekonsum müssten sie sich 5 Rupien weniger leihen und hätten am Abend 5,23 Rupien weniger zurückzuzahlen (die nicht geliehenen 5 Rupien plus die 23 Paise Zinsen), die es ihnen  – zusammen mit den 5 Rupien, die sie am zweiten Tag nicht für Tee ausgegeben hatten – ermöglichen würden, 10,23 Rupien weniger zu leihen. Bis zum vierten Tag hätten sie 15,71 Rupien, die sie nicht leihen bräuchten, sondern zum Kaufen von Obst und Gemüse verwenden könnten. Angenommen die Verkäuferinnen würden dann wieder dazu übergehen, ihre zwei Tassen Tee mehr zu trinken, aber weiterhin die 15,71 Rupien aus den drei Tagen mit verringertem Teekonsum ins Geschäft stecken (das heißt entsprechend weniger Geld leihen): Dann würde das eingesparte Geld weiter akkumulieren (so wie aus den zehn Rupien nach zwei Tagen 10,71 Rupien geworden waren), und nach exakt 90 Tagen wären die Verkäuferinnen völlig schuldenfrei. Sie würden über 40 Rupien pro Tag sparen, das entspricht etwa einem halben Tageslohn. Und das alles für sechs Tassen Tee!

    Die Verkäufer sitzen eigentlich unter einem Geldbaum, wie man ihn sich fast nicht schöner vorstellen könnte. Warum schütteln sie ihn nicht ein bisschen? Und wie lässt sich ihr Verhalten mit den ausgeklügelten Sparplänen von Jennifer Auma in Deckung bringen?
    Die Psychologie des Sparens
    Die offenkundigen Widersprüche werden nachvollziehbarer, wenn man versteht, wie die Menschen über die Zukunft denken. Andrei Shleifer ist der wohl beste Vertreter der Theorie, dass viele Leute manchmal dumme Sachen machen (er hat den Begriff »noise traders«, zu Deutsch »Rauschhändler«, geprägt oder zumindest bekannt gemacht, der das Verhalten naiver Börsenhändler charakterisiert, die von ausgebufften Kollegen gnadenlos ausgetrickst werden). Als er aus Kenia zurückkehrte, berichtete er uns von seinen Beobachtungen dort. Ihm waren gewaltige Unterschiede aufgefallen zwischen landwirtschaftlichen Betrieben, die von Nonnen geführt wurden, und denen ihrer Nachbarn: Die Felder der Nonnen standen in Saft und Kraft, während die der Nachbarn weit weniger beeindruckend aussahen. Die Nonnen verwendeten Dünger und Hybridsaatgut. Warum, so fragte er uns, schafften es die Bauern nicht, es den Nonnen gleichzutun? Waren sie

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