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PopCo

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Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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diejenigen führen wolle, die sich dieser Praxis bedienten, allen voran
     die Spanier und die Portugiesen. Francis wollte keinen anderen Menschen den Ängsten aussetzen, die er nun auszustehen hatte.
     Darüber hinaus tat er vor Gott den Schwur, sich an seinen Peinigern zu rächen. Er würde die Franzosen verfolgen und sie für
     das zahlen lassen, was sie ihm angetan hatten. Francis erinnerte sich einer der Geschichten, die er über Sir Walter Raleigh
     gehört hatte. Raleigh hatte einige Eingeborene befreit, die von den Spaniern gefangen gehalten und gefoltert wurden – aus
     reinem Eigennutz, versteht sich, denn er brauchte die Unterstützung dieser Leute, um sich gegen den gemeinsamen Feind zu wehren.
     Dennoch hatte er Menschen befreit, die unfrei waren, und sie vor jenen geschützt, die sie gegen ihren Willen zu ihrem eigenen
     Vorteil ausbeuteten. Er selbst, das schwor Francis sich in diesem Moment, würde dasselbe tun. Wo immer er konnte, würde er
     Menschen die Freiheit schenken. Leben oder Tod, doch keinesfalls Gefangenschaft oder ein Dasein als Sklave. Das würde sein
     neuer Lebensinhalt werden.
    Nach kurzer Gefangenschaft in Frankreich kam Francis Stevenson zusammen mit der übrigen Besatzung frei. Sie wurden nach London
     zurückgeschickt. Francis war noch nie in London gewesen, und sein geschwächter, von Krankheit gezeichneter Körper verkraftete
     die Aufregung nur schlecht. Während der Zeit auf See hatten seine Investitionen etwas Geld abgeworfen, das er sich nun auszahlen
     ließ, um damit ärztliche Hilfe und eine Kutsche zu bezahlen, die ihn zurück nach Plymouth brachte. Dort angekommen, bezog
     er sein gewohntes Gasthaus und brachte seine politischen Überlegungen in Form eines kleinen Pamphlets zu Papier, das er jedoch,
     wie die Briefe an Molly, niemandem zeigte. Das kleine Pamphlet mit dem Titel «Freiheit für alle Menschen» war dennoch ein
     wohldurchdachtesSchriftstück, das einige Jahre später im Bürgerkrieg zum Manifest einer Splittergruppe der Parlamentarier werden sollte.
    Der Arzt, von dem sich Stevenson in dieser Zeit behandeln ließ, war allgemein als «Medizinmann» bekannt. Zwangsweise zum Christentum
     bekehrt, war dieser glücklose «Indianer» unter dem Namen John Christian einige Jahre zuvor in Virginia gefangen genommen und
     gegen etwas billigen Tand eingetauscht worden. Als «Eigentum» des Kapitäns, dessen Schiff den Handel durchgeführt hatte, kam
     er in Ketten gelegt nach Plymouth und wurde schließlich in die Knechtschaft nach London verkauft. Es war damals zwar nicht
     eben häufig, aber doch keineswegs unüblich, «Indianer» oder Afrikaner auf diese Weise zu kaufen und sie als exotische Dienstboten
     mit nach England zu nehmen. John erzählte Francis seine ganze Geschichte, von der Gefangennahme und der grauenvollen Überfahrt
     nach England bis zu der eintönigen, ermüdenden und demütigenden Zeit in den Diensten einer reichen Adelsfamilie in London,
     deren Sklave er blieb, bis ihm eines Abends eine geheimnisvolle Frau begegnete, die ihm Geld gab und ihm zur Flucht verhalf.
     John, im Grunde ein friedliebender Mann, hatte sich Waffen verschafft, sich nach Plymouth durchgeschlagen und unterwegs allen
     Wegelagerern getrotzt, die ihn angreifen wollten. Er hatte vor, nach Amerika zurückzukehren. Doch mehr als zwei Jahre später
     war er immer noch in Plymouth gestrandet und verdingte sich als Arzt, um das nötige Geld für die Überfahrt zusammenzukratzen.
     Francis fragte ihn, warum er sich nicht um eine Anstellung als Schiffsarzt oder auch nur als gemeiner Matrose auf einem Schiff
     nach Virginia bemühe. «Für die, die mich verkauft haben, arbeite ich nicht», erwiderte John. «Und sie würden mich ja auch
     nicht anstellen.» John musste in Plymouth stets auf der Hut sein und sich vor jenen in Acht nehmen, die ihn als Heiden oder
     als Tierbezeichneten. Doch die Seeleute dort verkehrten geschäftlich viel mit «Indianern» wie ihm, und wenn sie ihm auch nicht übertrieben
     freundlich gesinnt waren, so behandelten sie ihn doch wenigstens nicht wie Abschaum. Francis und er wurden gute Freunde.
    Francis konnte nachvollziehen, wie es war, nicht nach Hause zurückzukönnen. Die Träume, in das Dorf seiner Kindheit zurückzukehren,
     waren inzwischen fast verpufft. Molly würde längst verheiratet sein und nicht mehr an ihn denken. Wenn er richtig reich wäre,
     dann vielleicht   … Doch er konnte ja nicht einmal hoffen, dass sie ihn überhaupt erkennen

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