PopCo
durchnässt an Tauen,
Fallen oder Takelwerk, um die diversen Segel des Schiffes zu setzen oder einzuholen. Unter Deck jedoch war es fast noch schlimmer,
so eng und überfüllt, dass man Gefahr lief, sich Ausschläge, Geschwüre, Husten, Atembeschwerden, Durchfall und die allseits
gefürchtete Krätze einzufangen. Wochenlang war es Francis entweder zu heiß oder zu kalt, er litt ständig Hunger und war häufig
krank. Es gab kaum frisches Wasser an Bord, und das wenige vorhandene war schon bald verseucht. Francis ersann seine eigene
Methode, mit den beengten und bedrohlichen Verhältnissen fertig zu werden, die schlicht darin bestand, seinen Kopf ganz leer
werden zu lassen, an nichts mehr zu denken, an die Freiheit nicht und auch nicht an Molly und sein einstiges Leben. Stattdessen
sah er sich als kleinen Teil eines großen Ganzen, dessen Aufgabe es war, sich so ruhig wie möglich zu verhalten. Anders als
die anderen geriet er niemals aus der Fassung. Er konzentrierte sich auf seine Atemzüge, hielt sie ruhig und regelmäßig und
überstand so manche harte Nacht an Bord des überfüllten Schiffs in einem fast meditativen Zustand. Zwei Besatzungsmitglieder
starben auf dieser ersten Reise.
Zurück in Plymouth, schrieb Francis Briefe an Molly, die er jedoch nicht abschickte. Seinen schmalen Lohn hatte er in weniger
als einer Woche durchgebracht, obwohl er nicht einmal verschwenderisch war. Er zog wieder in den Gasthof am Hafen und wartete
auf die nächste Gelegenheit, denn nun verfügteer ja über Erfahrung und einen ersten guten Leumund. Und nach wenigen Tagen an Land sehnte er sich bereits zurück aufs Meer,
so unerquicklich das auch sein mochte. Er ergriff die nächste Gelegenheit, die sich ihm bot, als einfaches Besatzungsmitglied
auf einem weiteren Handelsschiff mitzufahren, das die Westindischen Inseln ansteuern sollte. Auf dieser Reise erkrankte auch
er, wurde jedoch von dem großartigen Schiffsarzt gerettet, der Beifuß bei sich trug, ein Kraut, das, wie er sagte, fast alles
kuriere, und eine Tinktur aus Knochenstaub und Rotwein gegen alle übrigen Leiden, vor allem die Ruhr. Auch darüber hinaus
profitierte Francis noch von dem Mann: Er lernte, Amputationen und andere schwere Wunden mit heißem Teer oder Pech auszubrennen
und die Patienten dabei mit Rum so weit wie möglich zu betäuben, und er erfuhr von der Sitte, Zitronen- und Limonenschnitze
zu verteilen, um dem Skorbut vorzubeugen.
Die nächsten beiden Jahre verbrachte er damit, zur See zu fahren und wieder zurückzukehren und dabei immer weiter zu lernen,
bis ihm 1621 eine Anstellung auf der
Fortune
angeboten wurde, einem Schiff von fünfundfünfzig Tonnen mit fünfunddreißig Pilgern an Bord, die in die neue Kolonie jenseits
des Atlantiks auswandern wollten, welche zu Beginn des Jahres von den Siedlern der
Mayflower
gegründet worden war. Die Überfahrt musste in aller Heimlichkeit erfolgen – gesetzlich war das Auswandern damals noch verboten
– und wurde von einer zwielichtigen Handelskompanie finanziert, die sich Merchant Adventurers nannte; doch immerhin versprach
sie, spannend zu werden. Francis würde die Neue Welt kennenlernen und auf der Überfahrt endlich lesen können, da die Pilger
eine halbe Bibliothek mit sich führten. Der Aufbruch der
Mayflower
hatte ihn ebenso fasziniert wie alle anderen, und er hatte bereits viel von den paradiesischen Zuständen in Übersee gehört.
Seit einiger Zeit sandte die Virginia Company eineArt Wanderzirkus durch Devonshire, um das allgemeine Interesse an ihren Kolonien zu wecken. Man könne investieren, posaunten
sie, und würde dafür reich belohnt werden. Oder man könne einfach fortgehen und sich dort niederlassen, in einem Paradies,
wo man nichts weiter zu tun habe, als hin und wieder etwas Tabak zu ernten, zu verpacken und nach England zu schicken. Francis
konnte sich mit dem Gedanken, sich in den Kolonien niederzulassen, nicht recht anfreunden – das Leben auf See behagte ihm
zu sehr. Doch zwei Jahre zuvor hatte er in Plymouth auf einem Schiff von zweihundert Tonnen angeheuert, das innerhalb von
sechs Wochen Pelze im Wert von zweitausend Pfund erworben und wieder verkauft hatte, und zum ersten Mal in seinem Leben als
Seefahrer hatte er eine hübsche Summe Geldes verdient: zwanzig Pfund, die er in die Somers Isles Company, eine Tochterfirma
der Virginia Company, investiert hatte. Investieren: jederzeit. Aber Siedler werden? Das nun doch
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