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riskiert, wenn er sich an Bord zu Vertraulichkeiten mit der jungen Frau hätte hinreißen lassen, und so beschlossen
beide zu warten, bis sie ihr Ziel erreicht hatten. Als das Schiff jedoch anlegte, verfinsterte sich die Stimmung rasch. Die
ursprünglichen Siedler hatten darauf gehofft, die Handelskompanie werde ihnen neben weiteren Pilgern auch neue Vorräte schicken,
doch es waren keine an Bord. Offenbar waren die Kaufleute ihrerseits unzufrieden, dass im Gegenzug für ihreInvestitionen keine Waren aus der Kolonie geschickt wurden. So kam es denn, dass Francis und Dorothie nie endgültig zusammenfanden.
Man vermutet zwar, dass sie ihn bat, bei ihr zu bleiben, dass er jedoch ablehnte. Er wollte kein anderes Leben als das auf
hoher See. Und es gab ja auch noch Molly, der er versprochen hatte, sie zu sich zu holen.
Am 13. Dezember 1621 stach die
Fortune
erneut in See, beladen mit Biberfellen und anderen Pelzen im Wert von etwa fünfhundert Pfund. Es sollte sich als Unglückstag
entpuppen. Später erzählte man sich, dem Kapitän sei auf dem Weg zum Schiff ein Hase über den Weg gelaufen, was als so schlechtes
Omen galt, dass er sicher besser beraten gewesen wäre, noch eine Nacht im Hafen zu bleiben und erst am nächsten Tag auszulaufen.
Das Schiff begann seine Reise trotzdem. Es hätte eine angenehme Überfahrt werden können, da sie nun sehr viel mehr Platz an
Bord hatten, doch Francis verbrachte den ganzen ersten Monat durchnässt und durchgefroren damit, während der zahllosen durch
den Hasen ausgelösten Stürme Wasser aus dem Schiff zu schöpfen. Haushohe Wellen schlugen über dem Schiff zusammen, hoben es
empor und trafen es mit solcher Wucht, dass es zu kentern drohte. Es ist nicht auszuschließen, dass Francis während dieser
Stürme betete. Mit Sicherheit jedoch gewöhnte er sich an die ruckartigen Bewegungen, mit denen das Schiff sich aufbäumte,
wenn es hoch auf einer gewaltigen Welle ritt, einen Moment lang verharrte, um dann hinabzustürzen und so hart auf dem Meer
aufzukommen, dass Francis sicher war, es müsse entzweibrechen. Oft hörte er tagelang nichts als das Grollen von Meer, Donner
und Regen und die Hilfeschreie der Männer.
Kaum waren sie in ruhigeres Gewässer gelangt und tranken Rum, um ihr Entrinnen zu feiern, wurden sie von einem französischen
Kaperschiff angegriffen. 1621 war die Kaperei noch ein recht lukratives Gewerbe, obwohl bereits jeder wusste, dasssie im Grunde nichts weiter war als Piraterie unter offiziellem Siegel. Francis behielt von dem Angriff – dem ersten, den
er je erlebte – nur den Lärm des Geschützfeuers in Erinnerung und das Geschrei französischer und englischer Stimmen, die sich
wie Salz im Wasser aufzulösen schienen. Alles drang wie aus weiter Ferne an sein Ohr, obwohl es sich direkt vor ihm abspielte.
Gefechtfeuer, Qualm, der grässlich metallische, faulige Geruch von Schießpulver und Schwefel. Menschen, die jede Kontrolle
über sich verloren, sich ins Meer stürzten, die Kleider verschmiert von Blut und anderen Körpersekreten. Hundert Jahre schienen
zu vergehen, bis das Schiff und seine armselige Fracht gekapert waren.
Festgezurrte Schnüre, die ihm in die Handgelenke schnitten. Kaum Luft zum Atmen, kein Platz, sich umzudrehen. Den nächsten
Monat verbrachte Francis als Gefangener auf dem Kaperschiff, auf der Fahrt in ein französisches Gefängnis. Jeder neue Tag,
der ihn lebend fand, erschien ihm wie der große Preis einer Lotterie. Und es grenzte in der Tat an ein Wunder, dass die Gefangenen
von der
Fortune
überhaupt am Leben blieben, ganz ohne Arzt, sauberes Wasser und frische Luft. Francis war natürlich mit den Praktiken von
Piraten und Kaperern vertraut, und da er nicht wusste, dass sein Ziel ein Gefängnis in Frankreich war, überlegte er, wann
er wohl über Bord geworfen, auf einer einsamen Insel ausgesetzt oder als Sklave an eine Galeere verschachert werden würde.
Kugel und Kette um den Knöchel. Die Peitsche. Die Vorstellung war ihm kaum erträglich. Und so schloss er in dieser Notlage
einen Pakt mit Gott. Während vor seinem geistigen Auge Bilder auftauchten und wieder versanken wie die Wellen draußen – Bilder
von Männern, die, ihrer Freiheit beraubt, gezwungen wurden, für die Profitgier anderer zu arbeiten, blutend von Peitschenstriemen,
eingekerkert –, gab er Gott sein Wort, dass er niemals einen anderen Menschenzum Sklaven machen würde und erbitterten Krieg gegen
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