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Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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nicht.
    Es ist schwer zu sagen, was Francis Stevenson auf seiner Atlantiküberquerung 1621 gelesen haben mag, obwohl sich bereits diverse
     Forscher aus den unterschiedlichsten Beweggründen mit dieser Frage beschäftigt haben. Stevenson war in jener Phase seines
     Lebens sicherlich bestens mit der Bibel vertraut und musste als Junge in seinem Dorf auch vielen Mirakelspielen und Moralitäten
     beigewohnt haben. In einem der vielen geheimen Briefe, die er mit Molly austauschte, finden sich um 1617 etliche Verweise
     auf ein Stück mit dem Titel
The Hog Hath Lost His Pearl
, das sie zusammen auf dem Dorfplatz gesehen hatten. Die sympathischste Figur der Aufführung war offenbar der Teufel, der
     den besten Text hatte und als Einziger witzig sein durfte. Dahinter stand die Absicht, den «Hinterwäldlern» die moralischen
     und religiösen Aspekte des Schauspiels durch ein paar Zoten und Obszönitäten schmackhaft zu machen – zumindest in Francis’
     Fall führte es jedoch zu einigen recht ungewöhnlichenÜberlegungen um die Frage von Gut und Böse, die erst sehr viel später ans Tageslicht kommen sollten. Man nimmt an, dass Stevenson
     neben religiösen Traktaten auch Chaucers
Canterbury-Erzählungen
, Philip Sidneys
Arcadia
und Edmund Spensers
Faerie Queene
gelesen haben muss sowie später die Werke Ben Jonsons. Und obwohl die Folioausgabe von Shakespeares Stücken erst 1623 erschien,
     hält man es doch für wahrscheinlich, dass Stevenson auch diese gelesen hat. 1539, bei der Auflösung der Abtei von Tavistock,
     waren sämtliche Bücher verbrannt, für geringe Summen verkauft oder einfach verschenkt worden. In Tavistock dürfte also kein
     Mangel an Büchern geherrscht haben, und obwohl sich nichts Genaues darüber sagen lässt, welche davon siebzig, achtzig Jahre
     später noch zur Verfügung standen, mag das doch teilweise erklären, weshalb Francis Stevenson ein so belesener junger Mann
     war.
    1621 war Francis auch bereits Mitglied der Gemeinde von St.   Andrew in Plymouth. Unter Seeleuten war es gute Sitte, vor Antritt einer Reise zu beten und nach der Rückkehr Gott zu danken,
     dass er die Besatzung sicher wieder nach Hause geführt hatte. Den Dank nach der Rückkehr vergaßen allerdings die meisten:
     Sie strebten schnurstracks ins nächste Gasthaus, wo Bier und Frauen warteten, und dachten erst kurz vor Antritt der nächsten
     Reise wieder an Gott. Doch Francis ging, wenn er von Bord kam, immer als Erstes in die große Kirche. Er hatte sich mit Henry
     Wallis, dem Pfarrer, angefreundet. Wie die meisten wichtigen Kaufleute und politischen Größen von Plymouth war auch Wallis
     Puritaner. Nach dreißig Jahren auf Kriegsfuß mit der Spanischen Inquisition hatten die Einwohner von Plymouth eine gewisse
     Abneigung gegen den Katholizismus entwickelt und begrüßten den Puritanismus als neue, sonst wenig geschätzte Form des Christentums
     aus vollem Herzen. Francis Stevenson schaute hin und wieder in der Kirche vorbei, wenn dort jemand mit puritanischer Einstellungpredigte. Die Grundidee der Konfession leuchtete ihm ein, wenngleich nicht festzustellen ist, ob er ihr jemals angehörte.
     Zu dem Zeitpunkt, als er die Menschen und ihre Besitztümer an Bord der
Fortune
brachte, war ihm jedenfalls durchaus bewusst, weshalb die Frauen in ihren weißen Hauben so absichtsvoll reizlos wirkten und
     die Männer ihre Kleidung nicht mit Bändern und anderem Schnickschnack verzierten. Bei aller Schlichtheit müssen sie jedoch
     äußerst elegant gewirkt haben, denn letztlich beeinflussten diese gottesfürchtigen Menschen auch die allgemeine Mode. Erst
     seit der Zeit der Puritaner gehörte schlichte, gutgeschnittene Kleidung in gedeckten Farben unter Höflingen und Adligen zum
     guten Ton.
    Die
Fortune
verließ Plymouth am 9.   August 1621.   Francis sah zu, wie die Mauern der Stadt, die ihm zur Heimat geworden war, immer kleiner wurden, bis er nur noch den Kirchturm
     von St.   Andrew ausmachen konnte. Es war eine stürmische Reise, doch Francis war inzwischen erfahren und seefest. Auch in der Besatzungshierarchie
     hatte er ein paar weitere Stufen erklommen und bekleidete nun den Rang eines zweiten Maats. Sein eigentlicher Wunsch war jedoch,
     es zum Kapitän zu bringen. Auf der Überfahrt freundete er sich mit der jungen Dorothie Pope an (mit seinen päpstlichen Assoziationen
     kein allzu geglückter Name für eine Puritanerin), die mit ihren Eltern auf dem Weg in die Neue Welt war. Francis hätte schwere
     Strafen

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