PopCo
bleibt kaum noch Zeit, mich für meine Fete fertig zu machen. Eigentlich weiß ich gar nicht so recht, ob ich jetzt noch
eine Fete will, aber die Dorfhalle ist gebucht, die Einladungen sind verschickt, und das Essen ist wahrscheinlich auch schon
fertig und auf dem Weg dorthin: blumenverzierte, mit Frischhaltefolie bedeckte Porzellanplatten und große Krüge mit Orangensaft.
Mir tut schon der Bauch weh, wenn ich nur daran denke. Ich habe meinen Großeltern ewig wegen dieser Fete in den Ohren gelegen,
weil alle meine Freunde auch eine machen, aber von den Leuten, die ich eingeladenhabe, mag ich eigentlich niemanden besonders. Ob überhaupt jemand aus der Schule kommen wird? Ich habe siebzehn Antwortkarten
aus den Einladungen zurückbekommen – Einladungskarten mit kleinen Marienkäfern drauf, die mir gut gefielen, als ich sie bei
Woolworth’s ausgesucht habe, mir aber inzwischen etwas babyhaft vorkommen –, aber verschickt hatte ich fünfundzwanzig. Außerdem war das noch vor den Ferien. Wahrscheinlich haben sie es alle längst
vergessen. Meine Großeltern waren mit der Dorfhalle einverstanden, aber nicht mit dem professionellen Disc-Jockey, mit dem
Ergebnis, dass jetzt mein Großvater für die Musik zuständig ist, mit meinem Kassettenrecorder und ein paar geliehenen Kassetten,
die fast alle von Rachel sind. Das wird bestimmt ganz furchtbar. Es sind auch Jungs eingeladen. Das wird sicher noch viel
furchtbarer. Ich wünschte, es wäre die Fete von jemand anderem und nicht gerade meine.
Am Ende ziehe ich mein blaues Kleid an und rote Turnschuhe dazu. Ich bin mir nicht sicher, ob das zusammenpasst, aber es ist
mir auch egal. Ich bürste mir die Haare und flechte sie sorgfältig zu zwei Zöpfen, wie ich es schon mache, seit ich ungefähr
sechs bin. Dann rubbele ich mir das Gesicht mit einem Handtuch ab und gehe nach unten. Mein Großvater brütet immer noch über
dem Voynich-Manuskript.
«Wir müssen gehen», sage ich.
Die Dorfhalle sieht aus wie ein Hexenhaus: klein, grau und spitz und fast vollständig mit Kletterpflanzen überwuchert. Man
betritt sie durch ein großes, knarrendes Holztor, das mit Hilfe eines großen Messinghakens offen gehalten wird – zum Glück,
denn das Tor ist sehr schwer und fällt so leicht zu, dass man als Kind Gefahr läuft, erdrückt zu werden, wenn man versucht,
es zu schließen. Dahinter gelangt man in eine winzige Diele, düster und voller Spinnweben, mit fünf Garderobenhakenund einem Besen. Von dort führt eine weitere Tür aus sehr viel dünnerem Holz in die eigentliche Halle, an der lauter Erinnerungen
hängen: an Bingoabende, Bridge-Turniere, den Schachclub (den mein Großvater gegründet hatte, obwohl es ihn schon seit einiger
Zeit nicht mehr gibt), Wölflinge, Pfadfinder und Pfadfinderinnen, christliche Jungen- und Mädchengruppen, die Gruppe der Woodcraft-Bewegung
(die es auch nicht mehr gibt), die Theatergruppe Wallflower, das Women’s Institute und den Gesangsverein. Außerdem probt hier
donnerstagsabends immer eine Rockband aus der Gegend; dann vibriert selbst unser Haus, das fast einen Kilometer von der Halle
entfernt liegt. Die Band hat eine Sängerin, die immer ganz in Schwarz ist und lange, dünne Zigaretten raucht. Als ich sie
zum ersten Mal sah, habe ich mir so sehr gewünscht, sie zu sein, dass mir danach zwei Wochen lang der Bauch weh tat. Sie hatte
ihre E-Gitarre bei sich.
Wenn nachmittags die Sonnenstrahlen durchs Fenster in die Dorfhalle fallen, könnte man meinen, sie kämen direkt aus dem Himmel,
und man kann sich vorstellen, dass drinnen Engel in den Staubstürmen spielen. Direkt hinter der Tür, vielleicht zwanzig Schritte
in den Raum hinein, erhebt sich eine Bühne aus dunklem, glänzendem Holz. Als Kind kann man von der Halle aus nicht auf die
Bühne klettern, dafür ist sie viel zu hoch. Wenn man also auf die Bühne will, muss man sich erst durch ein ganzes Labyrinth
aus kleinen Hinterzimmern kämpfen – die Küche, den Hinterbühnenbereich, die Garderoben, die Besenkammer und den Lagerraum –, bis man am eigentlichen Bühneneingang ist, von wo sieben gebohnerte Holzstufen auf die Bühne hinaufführen. Ich war hier
eine Zeitlang bei den Wölflingen, daher weiß ich das.
Natürlich wollen alle meine Gäste auf die Bühne. Und ich in meinem blauen Kleid bin die Königin aller Gastgeberinnen, weil
ich die uralten Geheimnisse der Bühne kenne. Währenddie Erwachsenen um die Klapptische
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