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PopCo

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Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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Million Jahre, doch irgendwann wird er sie finden. Zumindest vermutest du das. Aber
     wie willst du dir sicher sein? In einer Million Jahren bist du ganz bestimmt nicht mehr da, um es zu überprüfen. Wie willst
     du also im Voraus beweisen, ob etwas berechenbar ist oder nicht? Turing wollte beweisen, dass es eine Möglichkeit dafür gibt,
     am Ende ist er aber doch zu dem Schluss gekommen, dass es sich um ein unlösbares Problem handelt. Manchmal kann man eben nicht
     wissen, ob ein Problem eine Lösung hat.» Sie setzt sich an den Computer und startet eines ihrer selbstgeschriebenen Programme.
     «Ich glaube», sagt sie, «du bist jetzt reif für den nächsten Teil der Geschichte.»

TEIL DREI
    Knapp jenseits der Wahrnehmung seh ich verzerrt
    Das Leben als zwei alte Truhen;
    Doch sind alle beide für mich versperrt,
    Während kreuzweis die Schlüssel drin ruhen.
    – Piet Hein –

KAPITEL EINUNDZWANZIG
    E in Traum: Ich habe mich im Wald verlaufen, kein Mensch außer mir weit und breit. Ein seltsames Flüstern ertönt, und ich versuche,
     ihm zu folgen, obwohl ich weiß, dass es wenig Sinn hat. Kurz darauf stehe ich vor einem kleinen Haus mit wilden Rosenstöcken
     davor, die Mauern ganz grün vor Efeu. Ich denke mir:
Es ist ein Traum, ich kann dieses Haus also einfach betreten. In Träumen darf man so was.
Drinnen stelle ich fest, dass die Wände des Hauses über und über mit Buchstaben und Symbolen beschrieben sind. Das Aleph-Null-Symbol
     zieht sich wie ein Wandteppich durch die ganze Diele. Auch die Inschrift aus meinem Medaillon kann ich entdecken: 2.14488156Ex48.   Der Rest der Diele ist wahllos mit Bildern und Einfällen der letzten Woche dekoriert: Ich erkenne den Grünmann, den Pop-Co-Schlüssel,
     ein Diagramm aus Mark Blackmans Seminar.
    Ich trete ins Wohnzimmer, das wie eine Bibliothek aussieht. An allen Wänden stehen Regale mit DVDs, Videos und Büchern. Ich
     kann mich noch dunkel an ein Gespräch erinnern, in dem ich behauptet habe, selbst keine solche Sammlung zu besitzen und mich
     auch nicht für die anderer Leute zu interessieren. Trotzdem bin ich beeindruckt. Die Filme sind allesamt Lieblingsfilme von
     mir und meinen Großeltern: Mathematikfilme, Kriegsfilme, Codeknackerfilme und Filme, bei denen man weinen muss, weil die Welt
     so ganz anders geworden ist und die Menschen einander nicht mehr beistehen. Ich betrachte die Bücher in den Regalen und stelle
     fest, dass es sich um die Bibliothek meines Großvaters handelt. Bücher über Gödel, über Astrologie und Pflanzenkunde und verschiedene
     Alphabete. Ich sehe die Biographie eines Mannes, der aus ein paarTextfragmenten eine uralte Sprache rekonstruiert hat, und die zerlesene Ausgabe des Codebuchs, das mein Großvater am häufigsten
     konsultierte:
Secret and Urgent: The Story of Codes and Ciphers
von Fletcher Pratt. Das Buch, das 1939 zum ersten Mal erschien, enthält auch die Häufigkeitstabelle der einzelnen Buchstaben
     im Englischen, die mein Großvater am liebsten verwendet hat.
    In einem anderen Regal stehen ebenfalls Bücher, und ich merke schnell, dass es meine eigenen sind. Mary Shelley, Edgar Allan
     Poe, H.   G.   Wells, Jules Verne, Samuel Beckett, Raymond Chandler, William Gibson, Umberto Eco, Marge Piercy, Margaret Atwood. Auch die
     Bücher zu meinen PopCo-Produkten stehen dabei, doch sie sehen ganz anders aus. Aus den kunterbunten Bänden mit dem PopCo-Logo
     sind richtige Erwachsenenbücher geworden, auf deren Rücken mein Name steht, Alice Butler. Einen Moment lang fühle ich mich
     so, wie ich mich schon immer fühlen wollte: als Schriftstellerin. Doch dann wird alles plötzlich seltsam. Mir wird klar, dass
     dieses Häuschen eigentlich mein Gehirn ist, und ich habe das dumpfe Gefühl, dass es gefährlich sein könnte, im eigenen Gehirn
     herumzuwandern, selbst wenn es sich als kleines Haus tarnt und man objektiv betrachtet nur träumt.
    Auf dem Boden liegt ein einzelner Buchstabenbauklotz aus Holz, mit dem Buchstaben A auf zwei Seiten. Die anderen vier sind
     leer. Bis auf den Bauklotz am Boden herrscht hier kein bisschen Unordnung, und trotzdem denke ich: Ich muss das aufräumen!
     Ich muss dafür sorgen, dass es einen Sinn ergibt! Vor allem aber muss ich hier raus. Ich konzentriere mich so fest, wie ich
     kann, bis fast eine Meditation daraus wird, und das ganze Zimmer um mich herum löst sich in Chiffren auf. Während ich mich
     noch frage, wohin es wohl verschwindet, dieses kleine Haus mit allem, was darin ist,

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