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PopCo

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Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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kaufst das Vorhängeschloss und den Schlüssel und schickst mir das Schloss.
     Wenn das Schloss abgefangen wird, ist das egal, damit kann ja niemand etwas anfangen. Sobald ich das Vorhängeschloss habe,
     bringe ich es an der Kiste an und schicke sie dir. Und wenn sie einmal verschlossen ist, kann nicht einmal ich sie mehr öffnen,
     weil nur du den Schlüssel hast.»
    «Das ist wirklich raffiniert», sagt Jasmine. «Das gefällt mir.»
    «Aber kann nicht trotzdem jemand das Schloss aufbrechen?», frage ich dazwischen. «Wenn man das Vorhängeschloss abfängt, kann
     man sich doch bestimmt auch einen Schlüssel dazu machen lassen.»
    «Das ist ja gerade das Raffinierte daran. Das Vorhängeschloss und der Schlüssel sind nur ein Vergleich für – entschuldigt
     bitte – weitere mathematische Berechnungen. Auf die Idee mit den asymmetrischen Schlüsseln ist man schon viel früher gekommen,
     es hat aber noch einige Jahre gedauert, bis man herausgefunden hatte, wie das mathematisch umzusetzen ist. Eine Zeitlang fiel
     niemandem eine Funktion ein, mit der das möglich gewesen wäre. Aber schließlich gelang es drei Wissenschaftlern vom Massachusetts
     Institute of Technology. Angenommen, Alice, ich würde dir jetzt sagen, dass der Schlüssel zu dieser Geschichte aus zwei sehr
     großen Primzahlen besteht. Wie sieht das Schloss aus?»
    Ich denke einen Moment nach. «Weiß nicht», sage ich.
    «Denk mal nach. Was kommt dabei heraus, wenn du zwei große Primzahlen miteinander multiplizierst?», fragt mein Großvater.
    «Eine noch viel größere zusammengesetzte Zahl», sage ich. «Mit zwei sehr großen Primfaktoren   … Ach so! Jetzt verstehe ich.»
    Natürlich. Wenn man sich zwei wirklich große Primzahlen überlegt, die man niemandem sagt, und sie miteinander multipliziert,
     dann muss derjenige, der die große Zahl in ihre Primfaktoren zerlegen will, mit 2, 3, 5, 7 und so weiter anfangen, wie alle
     anderen auch. Der Betreffende würde ja nicht wissen, welche Primfaktoren es wirklich sind, und ich weiß besser als jeder andere,
     dass man das Problem der Primfaktorzerlegung systematisch angehen muss. Wenn der Wert
N
(der dabei einer zusammengesetzten Zahl, dem Produkt der beiden großen Primzahlen
p
und
q
, entspricht) nur groß genug gewählt ist, bräuchte man mehrere tausend Jahre, um auf die Lösung zu kommen, selbst wenn man
     es schaffte, eine Primzahl pro Sekunde abzuarbeiten. Das hat mir meine Großmutter einmal schlüssig bewiesen. Das ist natürlich
     eine Super-Verschlüsselungsmethode. Man gibt demjenigen, der einem eine Nachricht schicken möchte, die große zusammengesetzte
     Zahl, er verschlüsselt die Nachricht so, dass man zum Entschlüsseln ihre Primzahlfaktoren braucht, und – Bingo! Nur man selbst
     kann die Nachricht entschlüsseln. Und solange man die einzige Person bleibt, die
p
und
q
kennt, kann man
N
ruhig aller Welt verkünden.
    Die nächste halbe Stunde vergeht damit, dass wir alle drei versuchen, Jasmine die Sache mit den Primzahlen und der Primzahlfaktorisierung
     zu erklären. Ich kann genauso viel zum Gespräch beitragen wie die Erwachsenen, weil ich mich schließlich lange genug damit
     beschäftigt habe, für meinenGroßvater Zahlen in Primfaktoren zu zerlegen. Irgendwann hat Jasmine es dann auch begriffen.
    «Aber mit einem Computer müsste das doch im Handumdrehen zu schaffen sein», gibt sie zu bedenken.
    Meine Großmutter schüttelt den Kopf. «Wenn du deine Zahl
N
nur groß genug wählst», sagt sie, «kannst du eine Milliarde Computer weltweit daransetzen, die alle gleichzeitig arbeiten
     und alle tausend verschiedene Primzahlen pro Sekunde überprüfen – sie bräuchten trotzdem noch Milliarden von Jahren, um die
     Lösung zu finden. Im Gegenzug bräuchte ein einzelner Computer aber höchstens eine Sekunde, um
N
aus
p
und
q
zu errechnen.»
    «Unglaublich», sagt Jasmine.
    «Martin Gardner, der die mathematische Rätselkolumne für den
Scientific American
macht   …», setzt mein Großvater an.
    «Das ist gewissermaßen die amerikanische Version der
Kopfnuss -Kolumne
», wirft meine Großmutter ein.
    «Ja, genau», sagt mein Großvater. «Er hat jedenfalls 1977 seinen Lesern die Aufgabe gestellt, einen Code zu knacken, dessen
     öffentlicher Schlüssel hundertneunundzwanzig Stellen umfasst. Wir wissen ja jetzt, dass die Verschlüsselung zwar auf der großen
     zusammengesetzten Zahl
N
basiert, sie aber nicht allein dafür verwendet wird. Es ist auch noch einiges an

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