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PopCo

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Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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Modular-Arithmetik mit im Spiel. Dennoch
     fußt die Codesicherheit darauf, dass
N
sich keinesfalls umstandslos faktorisieren lässt. Die eigentliche Herausforderung bestand also darin, die Primfaktoren dieser
     großen Zahl zu ermitteln.»
    «Und wie lange hat das gedauert?», fragt Jasmine.
    «Oh, man arbeitet immer noch daran. Einmal wurde Beth sogar gebeten, sich einer Arbeitsgruppe dazu anzuschließen. Aber sie
     ist zu sehr mit richtiger Mathematik beschäftigt.»
    «Ich wundere mich ja, dass du Alice noch nicht darangesetzt hast», sagt meine Großmutter lachend. «Sie hat doch schon alldiese anderen Zahlen für dich faktorisiert. Und wenn mich nicht alles täuscht, gibt es hundert Dollar zu gewinnen.»
    Hundert Dollar! Darüber muss ich später noch genauer nachdenken. Wir setzen uns alle ins Wohnzimmer, und Jasmine erzählt uns
     von den neuesten Entwicklungen auf ihrem eigenen Fachgebiet, der Psychologie. Sie spricht von einem gewissen Stanley Milgram
     und seinem umstrittenen Buch
Das Milgram-Experiment: Zur Gehorsamsbereitschaft gegenüber Autoritäten
. Darin beschreibt er eine Reihe von Experimenten, mit denen er herausfinden wollte, wie weit Menschen zu gehen bereit sind,
     wenn eine Autoritätsperson ihre Handlungen absegnet. Inzwischen liegt die Studie fast zehn Jahre zurück, hat aber alle möglichen
     spannenden Forschungsergebnisse nach sich gezogen.
    «Bei diesen Experimenten», erzählt Jasmine, «ließ man die Versuchspersonen in dem Glauben, sie würden an einer Reihe von Gedächtnistests
     teilnehmen. Milgram führte das Experiment in verschiedenen Varianten durch, doch meistens lief es so ab, dass der Versuchsperson
     jemand vorgeführt wurde, der sogenannte ‹Schüler›, der an einen Apparat angeschlossen war, mit dem man ihm Elektroschocks
     zufügen konnte. Die Versuchsperson sollte dem Schüler nun verschiedene Wortpaare beibringen, die sie von einem Blatt ablas.
     Anschließend prüfte sie den Schüler. Der allerdings war immer ein Schauspieler, der die Anweisung hatte, recht schnell eine
     falsche Antwort zu geben. Sobald das geschah, war die Versuchsperson dazu angehalten, einen Knopf zu drücken und ihm einen
     Elektroschock zu versetzen. Es waren natürlich keine echten Elektroschocks, doch jedes Mal, wenn der ‹Lehrer› den entsprechenden
     Knopf drückte, rief der Schauspieler etwa ‹Au!› oder ‹Das tut so weh!›. Und bei jeder weiteren falschen Antwort musste die
     Versuchsperson dem Schüler einen stärkeren Schock versetzen. Milgram wollte herausfinden, ab welchemPunkt die Versuchspersonen sich weigern würden, noch weiter an dem Experiment teilzunehmen, und wie sich die Anwesenheit einer
     Autoritätsperson auf die Entscheidung auswirkte. Die Autoritätsperson hatte einen vorgegebenen Text. Wenn die Versuchsperson
     sich zum ersten Mal beklagte oder anfing, das, was sie da tat, in Frage zu stellen, sagte die Autoritätsperson: ‹Bitte machen
     Sie weiter.› Beim nächsten Protest sagte sie: ‹Das Experiment erfordert, dass Sie weitermachen.› Und die letzte Stufe lautete:
     ‹Sie haben keine andere Wahl, Sie müssen weitermachen.› Es gab noch einige Varianten, bei denen der Schüler beispielsweise
     vorgeben musste, ein schwaches Herz zu haben.»
    «Das klingt alles furchtbar grausam», sagt meine Großmutter.
    Jasmine lächelt. «Nun, glücklicherweise – oder auch bedauerlicherweise, das hängt ganz von der Perspektive ab – dürfen solche
     Experimente heute nicht mehr durchgeführt werden. Doch im Anschluss an das Experiment wurden sämtliche Versuchspersonen eingehend
     befragt, und man wollte von ihnen wissen, was sie nach ihrer eigenen Einschätzung daraus gelernt hätten. Ein Teilnehmer war
     so fasziniert, als er erfuhr, worum es eigentlich gegangen war, dass er sich um eine Stelle bei Milgram bewarb.»
    «Aber was hat dieser Milgram denn nun herausgefunden?», fragt mein Großvater, während er in seiner Pfeife stochert.
    «Vor allem, dass es tatsächlich eine sehr große Anzahl Menschen gab, die bereit waren, ihrem ‹Schüler› vorgeblich schmerzhafte,
     sehr schmerzhafte und manchmal sogar lebensgefährliche Elektroschocks zu versetzen, solange eine Autoritätsperson das absegnete.
     Das Buch ist eine äußerst ernüchternde Lektüre. Milgram beginnt mit einer Analyse der Nazi-Herrschaft und stellt die These
     auf, dass jedes tyrannische Regime und jede Armee ein hohes Maß solcher Autoritätshörigkeit erfordert,wie er sie mit seinen

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