PopCo
von ihm hörte, war etwas Richtung ‹geil, geil, geil›.»
Ich muss lachen. «Ich will’s mir gar nicht ausmalen.»
Auch Ben lacht. «Er scheint wirklich eine etwas ungesunde Vorliebe für Teenies zu haben.»
«Oh ja. Das hat er anscheinend mit dem Rest unserer Gesellschaft gemeinsam … Oh, danke.» Ben hat mir einen Tellermit Sandwiches, einem kleinen Salat und Fritten gereicht. Ich schaue mir die Sandwiches genauer an. «Was ist denn da drauf?»
«Falafel mit Zwiebel-Chutney.»
«Und warum sind Blumen im Salat? Kann man die auch essen?»
«Das sind anscheinend Kapuzinerkresseblüten. Alle haben danach gefragt, und die Küchenchefs sagen, man kann sie essen. Sie
kommen von einem Biohof aus der Gegend.»
«Toll. Ich habe noch nie Blumen gegessen.»
«Ich auch nicht.» Ben lächelt und greift nach einer Zeitschrift. «Was wolltest du gerade noch über Kieran und den Rest der
Gesellschaft sagen?»
«Ach, nur eine allgemeine Betrachtung zur Sexualisierung junger Mädchen», sage ich. «Als ich eben diese Zeitschriften durchgeblättert
habe, ist mir plötzlich aufgefallen, wie viel … wie soll ich sagen … pornographischer Teenies heutzutage aussehen müssen. Vielleicht werde ich auch einfach nur alt. Aber Kierans Reaktion überrascht
mich gar nicht. Das ist nur die logische Konsequenz aus der ganzen Sache.»
«Scheiße», sagt Ben und blättert in der Zeitschrift. «Ich glaube, du hast recht. Haben die tatsächlich alle weniger an als
in meiner Jugend, oder werde ich jetzt auch alt?»
«Sie haben weniger an», sage ich.
«Dabei finde ich das nicht mal attraktiv», sagt Ben. «Eher ziemlich seltsam.»
«Ich glaube auch nicht, dass du das attraktiv finden sollst. Ich glaube, das sollen die Mädchen selbst attraktiv finden.»
Ich schaue ihm über die Schulter und betrachte diese Bilderflut aus jungen Mädchen, Fernsehmoderatorinnen und Popstars. Die
Grenzen zwischen den Artikeln und den Werbeseiten scheinen zu verschwimmen. «Weißt du was?», sage ich. «Ich glaube, das vermittelt
alles irgendwie ein ‹Bald bin ich so weit›. Baldbin ich so weit, dass ich ausgehen, bald bin ich so weit, dass ich Sex haben kann. Aber irgendwie … ich weiß nicht. Irgendwie finde ich es verstörend, dass diese Zeitschriften einerseits so kindlich sind und gleichzeitig
so voller Sex. Das beschränkt sich ja noch nicht mal auf die Problemseiten. Die Mädchen werden auf verspielte, kindliche Weise
dazu angehalten, darauf zu achten, dass sie süße Söckchen und süße Täschchen tragen und Fernsehmoderatorinnen-Jeans und kaugummibunten
Nagellack, damit … ja, eigentlich nur, damit die Jungs davon träumen, mit ihnen zu schlafen. Das sagt natürlich kein Mensch so offen. Es ist
immer nur von Verknalltsein die Rede, von Knutschen und Schwärmereien. Dabei könnten sie genauso gut schreiben: ‹Hier erfahrt
ihr, wie ihr gleichaltrige Jungs dazu kriegt, dass sie mit euch ins Bett wollen.›»
«Und Kieran», fügt Ben hinzu.
Ich muss grinsen. «Und natürlich auch Kieran.» Einen Moment lang führe ich mir die geschichtliche Entwicklung vor Augen, und
mir wird klar, dass es einmal eine Zeit gab, als Zeitschriften noch nicht auf Hochglanzpapier gedruckt wurden und nicht nach
irgendwelchen Massenparfums dufteten. «Was mich eigentlich noch mehr verstört, ist die Tatsache, dass Leute in meinem Alter
plötzlich auch alle wie Teenies aussehen sollen. Junge Mädchen sind dünn und schmal und haben gute Haut, weil sie eben eigentlich
noch Kinder sind, und erwachsene Frauen schauen sie an und denken: ‹So will ich auch aussehen›, denn das ist natürlich das
Ideal. Deshalb kaufen sie sich diese ganzen Produkte, die süßen Söckchen und das alles. Ich laufe ja selbst noch mit derselben
Frisur herum, die ich schon mit sechs hatte.» Ich nehme einen Zopf in jede Hand und wedele damit. «Vor zwanzig Jahren hätte
ich mich mit so einer kindischen Frisur nirgendwo blickenlassen können.»
«Wir sind offenbar ein Volk von Pädophilen», sagt Ben.
«Ja, wir sind ein Volk von Pädophilen», wiederhole ich mit hochgezogenen Brauen.
«Ich mag deine Zöpfe übrigens», sagt er. «Die sind ziemlich schräg.»
Ich lächele ihn an. «Das nehme ich jetzt mal als Kompliment.»
«Schau mal.» Ben zeigt mir das Titelbild einer Zeitschrift: eine junge amerikanische Popsängerin, deren nackter Bauch das
Bild dominiert. Sie trägt ein superkurzes weißes Top mit einem rosa BH darunter,
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