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PopCo

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Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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Sportzeug und erschwindeltemEssensgeld. Ich hasse die Schule. Zu Hause kann ich mich um meine persönlichen Dinge kümmern: Bücher, meine Mutter, das Voynich-Manuskript
     und Cricket. Hier würden es alle merken, wenn man an solche peinlichen Dinge denkt, darum ist es besser, das gleich sein zu
     lassen. Denken wird sowieso nicht gern gesehen. Am Donnerstag entdecken wir in der Pause eine Mitschülerin, die allein vor
     dem Fachbereich Naturwissenschaft auf einer Bank sitzt. Sie heißt Sophie und trägt eine Brille.
    «Was machst du denn hier, Brillenschlange?», fragt Emma sie in spöttischem Ton.
    «Ich denke nach», sagt Sophie.
    «Sie denkt nach», wiederholt Lucy, während die anderen losprusten. «Was glaubst du denn, wer du bist? Miss Einstein?»
    «Lasst sie in Ruhe», sage ich zu den anderen. Und das ist der Anfang vom Ende.
    Am Freitag muss ich nach Erdkunde dableiben und der Lehrerin erklären, warum ich meine Hausaufgaben nicht gemacht habe. Mein
     Leben ist ein einziges Chaos, und hinterher habe ich keine Lust mehr, die Pause mit den anderen zu verbringen. Den Vorfall
     mit Sophie am Tag zuvor haben sie mir ja noch halbwegs verziehen, aber mir wird langsam klar, dass ich auch sonst nicht mit
     ihnen mithalten kann. Irgendwer hat eine Zeitschrift dabei, in der Klatschgeschichten über Popstars und Songtexte stehen.
     Ich habe diese Zeitschrift noch nie gelesen. Ich weiß zwar, dass sie auch im Dorfkiosk verkauft wird, aber ich würde nie-niemals
     den Mut aufbringen, mir eine zu kaufen. Wahrscheinlich würde der Kioskbesitzer sie mir auch gar nicht geben. Ich bin weder
     schick noch alt genug dafür, das würde er mir ansehen. Die anderen sagen, es stehen sogar Wörter drin, die noch viel schlimmer
     als «verdammt» sind. Ich kenne sowieso schon alle schlimmen Wörter aus den Büchern, die ich lese, aber das sage ich keinem.
     Der Kioskbesitzer würdees sicher meinem Großvater erzählen, dass ich eine Erwachsenenzeitschrift mit schlimmen Wörtern kaufen wollte, und dann müsste
     ich auf der Stelle sterben, weil mir das so peinlich wäre. Auch sonst ist mir einiges klargeworden. Ich kann Emma nicht von
     Becky zurückerobern. Völlig ausgeschlossen. Selbst wenn es mir gelingen würde, müsste ich sie dann ja als Nächstes zu mir
     nach Hause einladen. Und was sollte ich dann machen? Es ist schon peinlich genug, auf dem Dorf zu wohnen, aber wie soll ich
     ihr erklären, dass ich keinen Fernseher habe und außer meiner Schuluniform nichts Schickes zum Anziehen? Wie soll ich ihr
     erklären, dass ich nicht nur vorübergehend bei meinen Großeltern wohne, sondern für immer? Kein Mensch wohnt bei seinen Großeltern.
     Außerdem müsste ich zugeben, dass ich gelogen habe. Und eine Lügnerin zu sein ist noch viel schlimmer als Tussi, Fettwanst
     und Asi zusammen. Lügen ist noch schlimmer als Denken.
    Manchmal, wenn man seiner besten Freundin ein Geheimnis erzählen will, das auch geheim bleiben soll, tauscht man die Geheimnisse.
     Meistens passiert das, wenn man beieinander übernachtet. Irgendwann flüstert man die peinlichen Sachen, die man so gemacht
     hat, in die Dunkelheit, man erzählt von Jungs, die man geküsst hat, und von Leuten, die man nicht leiden kann. Für jedes Geheimnis
     bietet die andere etwas Gleichwertiges an; damit haben dann beide eine gewisse Sicherheit. Wenn die Freundin das Geheimnis
     ausplaudert, plaudert man auch ihres aus. Emma und ich haben das auch einmal gemacht. Ich habe ihr erzählt, dass ich Alex
     geküsst habe («Wen?»), und sie hat mir erzählt, dass sie in Michael verknallt ist, obwohl sie weiß, dass Lucy auch in ihn
     verknallt ist. Aber sie könnte nie im Leben genug Geheimnisse habe, um meines aufzuwiegen. Selbst wenn sie Aleph-null Geheimnisse
     hätte, hätte ich doch noch Aleph-eins mehr. Außerdem lassen meine Geheimnisse mich mehr als komisch dastehen.
    Kann ich die Tatsache, dass ich zwei Geheimnisse von Emma weiß (die Sache mit Michael und die Tatsache, dass sie ein Lipgloss
     geklaut hat), vielleicht verwenden, um mir einen sicheren Austritt aus der Clique zu erkaufen? Wird Emma dafür sorgen, dass
     die anderen mich in Ruhe lassen, wenn ich ihr drohe, das auszuplaudern? Unwahrscheinlich. Wenn man den Schutz der Beliebten-Clique
     verliert, nimmt das auch allem die Macht, was man über einzelne Mitglieder weiß. Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob man
     aus der Clique heraus oder im Alleingang handelt. Solange man zur Clique gehört, kann man irgendwem

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