Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
PopCo

PopCo

Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
Vom Netzwerk:
zwei Leute zu finden, die am gleichen Tag Geburtstag haben. Wahrscheinlichkeitsrechnung
     ist eine seltsame Sache, die dem menschlichen Verstand nicht unbedingt von vornherein zugänglich ist. Wir erklären Vorkommnisse
     zu Zufällen, die mathematisch gesehen gar nicht so unwahrscheinlich sind. So wie die Sache mit Marilyn vos Savant und dem
     Monty-Hall-Problem. Natürlich hat man eine größere Chance, das Auto zu gewinnen, wenn man sich noch einmal für die andere
     Tür entscheidet. Anfangs stand die Chance, die falsche Tür gewählt zu haben, schließlich bei 2 zu 3, man sollte also in jedem
     Fall wechseln. Doch als Marilyn vos Savant das öffentlich machte, war selbst Erdös der Ansicht, sie müsse sich irren. Dabei
     hattesie recht. Sie wurde mit hasserfüllten Briefen männlicher Kollegen bombardiert, die ihr alle erklärten, sie liege falsch.
     Aber sie hatte recht.
    Man hat sich also für eine von drei Türen entschieden. Man hat gesehen, dass hinter einer Tür eine Ziege ist. Entscheidet
     man sich jetzt für eine andere Tür? Man hat sich für ein Leben entschieden, das einem sinnvoll erschien. Aber es gibt noch
     zwei andere Möglichkeiten. Eine davon ist womöglich eine Ziege, die andere ein großes Geheimnis. Öffnet man die Tür mit dem
     Geheimnis dahinter? Oder lässt man das Spiel ganz bleiben und wirft sich, rein metaphorisch natürlich, der Ziege an den Hals?
     Was ist denn schlecht an Ziegen? Eigentlich hätte ich sogar lieber eine Ziege als ein Auto. Ein Auto habe ich schließlich
     schon, einen Rasenmäher nicht.
    Vielleicht sind es ja auch zwei Kisten, Kiste A und Kiste B.   Kiste A enthält eintausend Pfund, Kiste B ist entweder leer, oder sie enthält eine Million Pfund   …
    Ich hebe meine Tasche vom Fußboden auf.
    «Wie hättest du die Newcomb-Paradoxie gelöst?», frage ich Charles Babbage leise. «Was hättest du getan?»
    Dann drehe ich mich lächelnd um und will zur Tür gehen.
    «
Nimm Kiste B
», sagt hinter mir eine tiefe Männerstimme.
    Babbage? Ich fahre herum, doch die Puppe sitzt immer noch steif und leblos da. Mein Herz ist wie ein Fisch, der am Angelhaken
     zappelt. Hals über Kopf renne ich die Stufen hinunter.
    «Meine Güte», sagt die Frau an der Kasse, als ich an ihr vorbeistürme.
    «Tut mir leid», rufe ich über die Schulter zurück. «Ich bin spät dran   …»
    Draußen auf der Straße hat der Hagelschauer aufgehört, die Leute gehen wieder umher und zertreten mit Schuhen, Turnschuhen
     und Stiefeln schmutzig-schmelzende Hagelkörner. Auf dem Kopfsteinpflaster bilden sich kleine Pfützen. Ichschaue auf die Kirchturmuhr und sehe, dass es bereits halb eins ist. Dann überquere ich die Straße und wandere an der lustigen
     kleinen Ansammlung von Läden entlang. Die Passage heißt Butterwalk. Beim Naturkostladen bleibe ich stehen, gehe hinein und
     kaufe auf PopCo-Rechnung eine große Flasche Echinacea-Tinktur. Es ist ziemlich voll in dem Laden, und ich muss lange an der
     Kasse anstehen, gleich neben einem Schwarzen Brett, das voller Visitenkarten hängt:
Spirituelle Reisen, Gesundheits-Yoga, Reiki, Das Individuum und der Geist, Reflexzonenmassage, Farbtherapie, Geistheilung,
     Chanting-Workshop, Therapien nach Hung, Psychodynamische Beratung, Hypnosetherapie, Geburt unter Hypnose, Qi Gong, Heiledelsteine   …
Auf jedem Kärtchen steht eine Handynummer, und einen Augenblick lang fühle ich mich an die Karten der Prostituierten erinnert,
     die in London alle Telefonzellen pflastern. Schließlich bin ich an der Kasse und bezahle meine Echinacea-Tinktur.
    Dann gehe ich in ein hübsches kleines Kaufhaus gleich nebenan. Es riecht nach Leder, der Geruch folgt mir bis in die nicht
     sehr große Damenmodeabteilung, die nur aus Flatterschals, Weihrauch und angeblich handgewebten indischen Oberteilen besteht.
     Ich schaue in die Schuhabteilung und gehe dann hinauf in den ersten Stock. Ganz vorne steht der Grund dafür, dass ich überhaupt
     hineingegangen bin: ein großes Schaukelpferd, das ich bereits durchs Fenster gesehen habe, und ringsum weitere traditionelle
     Spielsachen. Ich streichele die Mähne des Pferdes und denke daran, wie sehr ich mir mit fünf ein Schaukelpferd gewünscht habe.
     Der Rest des kleinen Kaufhauses überzeugt mich nicht sonderlich, aber hier oben ist es wirklich schön. Sie verkaufen Holzspielzeug,
     Bauklötze, Spielsachen zum Teilen und zum Liebhaben. Holzeisenbahnen, Bauernhöfe und Elfenkleider. Nirgends gibt es Markennamen,
    

Weitere Kostenlose Bücher