PopCo

enthalten könnte. Ich betrachte die einzelnen Wörter dieser Nachricht.
Fight, enemy, corporate, war, struggle
– alles keine Wörter, die sich in dem Buch über das Mädchen mit dem Pferd finden würden, das ich verwendet habe. Ich muss
     über die seltsame Schreibweise von
tonight
lächeln, das in der Botschaft aus zwei einzelnen Wörtern besteht. Auch wenn man das nicht erwarten sollte, ist es manchmal
     gar nicht so leicht, ein einfaches Wort wie dieses zu finden, selbst in einem langen Text.
Woman on the Edge of Time
ist ganz im Imperfekt erzählt – ein Präsenswort wie
tonight
findet sich also allenfalls in der wörtlichen Rede.
    Aber das spielt im Augenblick eigentlich keine Rolle. Ich lese die Nachricht noch einmal durch, füge meine eigene Interpunktion
     hinzu und mache mir klar, was sie bedeutet:
Geh nicht. Schlag zurück. Kämpfe gegen den feindlichen Konzern. Treffpunkt heute Abend um acht in deinem Zimmer. Es ist Krieg.
Von wem stammt diese Nachricht? Was geht hier vor? Schlagartig wird mir alles klar. Ich dachte immer, es gäbe gar keinen Feind.
     Dann wurde mir klar, dass ich selbst der Feind bin, und ich beschloss zu desertieren. Und jetzt   … kann das wirklich wahr sein? Jetzt soll ich erfahren, dass es noch eine andereSeite gibt? Vermutlich gibt es die überall, wo ein Feind ist. Mein Kopf spielt mir erneut das Videoband der letzten beiden
     Wochen vor, wie eine Passwort-Entschlüsselungssoftware, die an jeder Stelle jeden einzelnen Buchstaben ausprobiert, um zu
     sehen, ob er passen könnte. Fast glaube ich, das Klackern zu hören, während Gesichter, Ereignisse und Zufälligkeiten in die
     richtige Reihenfolge gebracht werden. Und plötzlich habe ich eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wer heute Abend um acht
     in mein Zimmer kommen wird. Es ist ein bisschen wie Cluedo spielen.
    Ich höre ein Geräusch wie von Murmeln, die auf Betonboden fallen, und der Sonnenfleck in der Raummitte verschwindet, als hätte
     ihn jemand wie einen Teppich aufgerollt und weggebracht. Seltsam, wie dunkel es hier oben ohne Sonne ist. Und plötzlich auch
     viel kälter. Ich fröstele. Als ich aufstehe und zum Fenster gehe, folgen mir Babbages Augen. Vom Himmel fallen Hagelkörner,
     so groß wie Kaugummikugeln. Ich stehe in der dunklen, kalten Stille hier drinnen und schaue zu, wie die Leute draußen sich
     in Geschäfte und Hauseingänge flüchten oder ihre vorsichtshalber mitgebrachten Regenschirme öffnen. Ein Mann eilt über die
     plötzlich menschenleere Straße und hält sich eine Supermarkttüte über den Kopf. Durchs Fenster kommt der Geruch von feuchtem
     Laub herein.
    Du sollst die Welt verändern.
Ist meine Mutter etwa wieder durch die Zeit gereist? Hat sie gegen irgendein kosmisches Gesetz verstoßen, um mir ihr Buch
     noch einmal mit einer neuen Nachricht zu schicken? Glaube ich wirklich an Zufälle? Glaube ich an Gleichzeitigkeit?
Schluss jetzt, Alice.
Der Hagel schlägt an die Fensterscheiben, die Leute draußen drängen sich immer noch in den Hauseingängen und schauen zum Himmel
     hinauf. Ich weiß noch, wie ich einmal einen richtig großen Zufall vermutete, als ich ein Wort im Wörterbuch nachschlagen wollte.
     Sonst brauche ich immer ewig, um die richtige Seite zu finden,doch dieses eine Mal nahm ich das Wörterbuch aus dem Regal und schlug es genau an der richtigen Stelle auf.
Unglaublich
, dachte ich. Doch dann habe ich mir ausgerechnet, dass das bei einem Wörterbuch, das ich mein Leben lang benutze, fast zwangsläufig
     irgendwann passieren muss. So ein Wörterbuch hat vielleicht tausend Seiten. Wenn man es aufschlägt, liegt die Chance, dass
     man auf der Seite landet, die das gesuchte Wort enthält, bei 1 zu 1000.   Dieser Wert verringert sich noch einmal erheblich durch die Tatsache, dass man Wörterbücher nicht einfach ziellos aufschlägt,
     sondern gleich versucht, dem gesuchten Wort so nahe wie möglich zu kommen. Wenn man also ein Wort finden will, das mit C anfängt,
     schlägt man das Buch relativ weit vorn auf, ungefähr dort, wo man das C vermutet. Es ist also äußerst wahrscheinlich, dass
     man sogar mehrmals im Leben gleich die richtige Seite erwischt, vor allem, wenn man das fragliche Wörterbuch häufig verwendet
     (wobei es natürlich auch passieren kann, wenn man es zum allerersten Mal aufschlägt).
    Und wir wissen ja bereits: Mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung kann man auch beweisen, dass bei dreiundzwanzig Menschen in
     einem Raum eine Fifty-fifty-Chance besteht,