PopCo
durch die Zeit
voranzuschreiten, je höher ich steige. Überall gibt es kleine Winkel und Nischen, ich sehe Zimmer mit unebenen Fußböden, ein
Schild, das auf die Apothekenausstellung hinweist, und erhasche im Vorbeigehen Blicke auf diverse historische Kleidungsstücke.
Als ich im obersten Stock ankomme, fühle ich mich ganz überwältigt und fast ein wenig eingeschüchtert von der Stille hier.
Ein Schild verkündet:
Charles-Babbage-Saal
. Ich gehe hinein. Und dort, in der Ecke, sitzt Babbage an seinem Schreibtisch.
«Oh Gott!» Ich unterdrücke einen Schrei und pralle zurück.
Wenn er sich jetzt umdreht und zu mir hersieht, falle ich auf der Stelle tot um. Garantiert. Ich werfe einen vorsichtigen
Blick hinüber. Nichts geschieht. Ich schaue genauer hin. An dem Schreibtisch sitzt eine lebensgroße Puppe, wie im Wachsfigurenkabinett.
Wieso macht man so was? Das ist mit Abstand das Gruseligste, was ich je gesehen habe. Er wirkt so … echt. Ich glaube zu spüren, wie mir seine künstlichen Augen durch den Raum folgen, während ich mir die Abbildungen von Modellen
für die Differenzmaschine und Plänen für die Analysemaschine anschaue (die Originale befinden sich in verschiedenen Museen
in London). Ich erfahre, dass Babbage hier in Totnes geboren ist und eine Straße im örtlichen Industriegebiet nach ihm benannt
wurde. Ich betrachte die Exponate zur Computergeschichte: wie ein Wandfries von Babbages Leben. In einer Glasvitrine sind
kleine ZX Spectrums ausgestellt und ein BB C-Micro -Computer. Sie wirken fast genauso altmodisch wie die Differenzmaschine.
Auf der anderen Seite des Raumes hängt ein Porträt von Ada Lovelace, und ich gehe hin, um es mir anzusehen.
Ada Lovelace
,erläutert ein Schild neben dem Bild,
die Tochter Lord Byrons
, und ein ausgedruckter Handzettel teilt mir die Fakten mit, die ich bereits kenne: Adas Mutter wollte nicht, dass ihre Tochter
so von der Poesie verdorben wird wie ihr Vater, und ließ ihr deshalb eine mathematische und naturwissenschaftliche Ausbildung
zukommen. 1835 heiratete Ada den Earl of Lovelace. Als sie eine Zusammenfassung von Babbages Plänen für die neue Analysemaschine
aus dem Italienischen übersetzen wollte, ermunterte Babbage sie, den Text zu kommentieren. Der Kommentar geriet dreimal so
lang wie der ursprüngliche Artikel. Ada und Babbage setzten ihre Korrespondenz fort, und sie schrieb einen eigenen Artikel,
der 1843 veröffentlicht wurde. Darin prophezeite sie, dass mit Hilfe der Analysemaschine auch komplexe Musikstücke komponiert
und Graphiken erstellt werden könnten, sowohl zu künstlerischen wie zu wissenschaftlichen Zwecken. Ihre Prophezeiungen erwiesen
sich als zutreffend. Sie war das große Vorbild meiner Großmutter.
Entspann dich, Alice. Hier ist niemand.
Ob ich hier meine Nachricht entschlüsseln kann? Wird noch jemand kommen und sich über Babbage informieren wollen? Falls ja,
würde ich sicher die Stufen knarren hören. Ich rechne mir aus, dass mir im Ernstfall mindestens anderthalb Minuten Vorsprung
bleiben, dann setze ich mich direkt unter dem Bild von Ada Lovelace im Schneidersitz auf den harten Holzboden, die Tasche
in Reichweite, um das Unternehmen jederzeit wieder abbrechen zu können.
Don’t
. Das ist das erste Wort. Also gut. Ich blättere auf Seite 343. Das neunte Wort dort lautet entweder «go» oder «to», je nachdem, ob mein Brieffreund die Wortverbindung «selfeducated» als
ein oder zwei Wörter gezählt hat.
Don’t to
– das ergibt schon mal keinen Sinn.
Don’t go
hingegen …
Geh nicht
. Ach du Schande! Wer hat mir das bloß geschickt? Die nächsten beiden Angaben sind einander sehr ähnlich: 363, 97 und 363,98. Zwei aufeinanderfolgende Wörter. Ich blättere weiter auf Seite 363 und zähle die Wörter. Das 97. Wort lautet «fight», das 98. «back».
Fight back
– schlag zurück.
Die nächsten zehn Minuten verbringe ich mit Wörterzählen, bis ich Folgendes beisammenhabe:
Don’t go fight back struggle against corporate enemy meet in your room to night at eight it’s a war
. Mein Gott. Weil ich mich noch dagegen sträube, mir klarzumachen, was diese Nachricht genau bedeutet, muss ich plötzlich
an Francis Stevenson denken und an den geheimnisvollen Text, mit dem er seine Schatzkarte verschlüsselt hat. Mein Großvater
hat mir erklärt, dass man sich vor dem Verschlüsseln immer fragen muss, welches Buch die richtigen Wörter für die jeweilige
Nachricht
Weitere Kostenlose Bücher