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PopCo

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Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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Unterlagen
     in Empfang, sehe sie durch und frage mich dabei immer noch, warum ich eigentlich hier bin. Ich bin sonst gar nicht die Sorte
     Mensch, die für Sonderprojekte ausgesucht wird. Im Gegenteil. Ich tue ja auch alles dafür, einfach mein Leben zu leben und
     dabei so wenig wie möglich aufzufallen, erst recht nach all den seltsamen Erlebnissen, die meine Kindheit geprägt haben. Jetzt
     soll ich offenbar wieder an einem Geheimnis beteiligt sein. Ich weiß gar nicht so recht, wie ich das finde.
    Als alle Unterlagen unterschrieben und wieder eingesammelt sind, kommt Mac zum Schluss.
    «Ich bitte euch von Herzen: Seid so kreativ, wie ihr nur könnt», sagt er. «Die alten Ideen könnt ihr alle gleich vergessen,
     die haben nicht funktioniert. Wir brauchen einen völlig neuen Lösungsansatz für unser Problem. Es geht nicht um Rechercheim eigentlichen Sinn, sondern einzig und allein um Ideen und Gestaltung. Denkt immer daran: Wenn ihr das Gefühl habt, eure
     Idee sei viel zu verrückt, seid ihr vielleicht genau auf dem richtigen Weg. Ich danke euch.» Er senkt kurz den Blick und schaut
     dann wieder auf. «Ihr dürft dann jetzt gehen. Vergesst nicht, dass drüben in der Sporthalle die PopCo-Disco stattfindet. Ach   … Esther, kannst du noch einen Moment bleiben? Du auch, Hiro.» Statt des merkwürdigen Blicks, den wir erwartet hätten, murmelt
     Esther beim Aufstehen nur etwas Richtung: «Wir sehen uns dann später.» Offenbar kennen also sowohl Mac als auch Georges sie
     beim Vornamen. Ich wüsste wirklich zu gern, was genau ihre Funktion ist.
    Sobald wir draußen sind, platzen Dan und ich wie zwei Luftballons.
    «Was zum Geier   …?», sagt Dan.
    «Wir sind auserwählt», sage ich, und in meinen ironischen Tonfall mischt sich echte Begeisterung. Dann tauschen wir einen
     prickelnd geheimnisvollen Blick und erinnern uns damit gegenseitig daran, dass wir gerade einen Haufen Formulare unterschrieben
     haben, die uns verbieten, in der Öffentlichkeit darüber zu reden.
    «Disco?», fragt Dan.
    «Ja, ich denke schon.» Ich fühle mich ganz benommen. «Ich will aber nicht zu spät ins Bett.»
    «Was genau war das jetzt eigentlich?», fragt er mich leise, während wir mit unseren Taschenlampen den Pfad entlanggehen. «Macs
     schräge Idee?» Damit spielt er auf ein Buch aus dem Büro an:
Der Querdenker-Faktor: Mit unkonventionellen Ideen zum Erfolg
von Robert   I.   Sutton. Die «unkonventionellen» oder «schrägen Ideen» aus dem Titel umfassen Vorschläge wie «Stellen Sie Arbeitskräfte ein,
     die den Firmenkodex nur langsam lernen», «Stellen Sie ein paar ‹Frohnaturen› ein, und ermuntern Sie sie zu konstruktiven Konflikten»
     oder auch «DenkenSie sich etwas Lächerliches oder Unpraktisches aus, und planen Sie dann, es umzusetzen». Innovativ ist ein Unternehmen inzwischen
     offenbar nur noch, wenn es zu so ziemlich allem bereit ist, wie verrückt das auch sein mag. Überhaupt scheinen Innovationen
     sich in diesem Jahrhundert zu den besten Freunden des Menschen zu mausern: Sie werden von Aktionären geliebt und von jungen
     Managern angehimmelt, die noch feucht hinter den Ohren sind, und selbst stinknormale Angestellte haben nichts dagegen einzuwenden,
     sich einen Tag lang als Kaninchen zu verkleiden, sich die Augen verbinden oder sich einstellen zu lassen, obwohl sie gar keine
     Berufserfahrung haben. Der Staubsaugerhersteller Dyson verpflichtet angeblich nur Mitarbeiter, die gerade frisch von der Uni
     kommen, und die Sony-Playstation wurde der Legende nach von Leuten erfunden, die sich in der Videospielbranche kein bisschen
     auskannten. Ich habe ja den Verdacht, dass auch ich bei PopCo nur aufgrund einer solchen «schrägen Idee» eingestellt wurde.
Beschäftigen Sie doch mal jemanden mit völlig abwegigen Fähigkeiten, der keinerlei Erfahrung mit der Spielzeugbranche hat
.
    Ich zucke die Achseln. «Das darfst du mich nicht fragen. Ich stehe vor einem Rätsel.»
    «Aber heißt das, wir sind jetzt was Besonderes?», fragt Dan.
    «Keine Ahnung. Kann sein.»

KAPITEL NEUN
    Nach einer halben Stunde Anstandsaufenthalt in der Disco lasse ich mir eine Ausrede einfallen und gehe in meinen Schlafsaal
     zurück, in der Hoffnung, dass sich dort so schnell niemand anders blicken lassen wird. Während ich über den Kiesweg hinter
     dem Haupthaus gehe, rede ich mir ein, kein bisschen Angst zu haben. Ich sage mir, dass es schön ist hier draußen im Dunkeln,
     mit den Fledermäusen, der Stille und dem

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