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Poppenspael

Poppenspael

Titel: Poppenspael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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ist noch zehn Meter entfernt, da
wird der Mann aufmerksam und stuft ihn als Bedrohung ein, greift
seinen Becher, springt auf und eilt quer über die
Straße. Kurz vor der Twiete, einer schmalen Gasse, die zum
Hafen führt, kann der Oberkommissar den Mann
abfangen.
    »Harald Timm? Du
siehst aus wie Harald Timm!«
    Der Befragte
schüttelt den Kopf und will an dem Kriminalbeamten
vorbeischlüpfen, doch der stellt sich ihm demonstrativ in den
Weg und hält den Dienstausweis vor seine
Nase.    
    »Ich will deinen
Ausweis sehen, Freundchen!«
    »Warum, ich hab
nichts getan!«
    »Kannst du nicht
lesen? Kripo Husum! Wenn ich deinen Ausweis sehen will, zeigst du
mir deinen Ausweis, sonst wird es unangenehm,
klar?«
    »Die 50 Euro hat
meine Schwester mir versprochen, ich hab sie doch nur abgeholt,
heute Morgen.«
    »Ich frag noch
mal, bist du Harald Timm?«
    »Ja, schon, aber
…«
    »Und wer ist
deine Schwester?«
    »Petra
Ørsted!«
    »Petra
Ørsted?«, fragt der Oberkommissar
ungläubig.
    »Ja, meine
Schwester heißt Petra Ørsted. Aber ich kann das
erklären. Ich war nämlich nur da, heute Morgen, um das
Geld abzuholen, und dann waren da diese komischen Männer aus
Russland.«
    »Das wird mir
langsam zu wirr, Mann! Eins nach dem anderen. Ich will erst mal
wissen, ob du es bist, der im Schlosspark
übernachtet?«
    »Im
Schlosspark?«
    »Ja, Mann, im
Schlosspark hinter dem Kriegerdenkmal. Und lüg mich jetzt
nicht an, Freundchen!«
    »Na ja, ist
schon mal vorgekommen. Aber ich hab immer alles ordentlich
aufgeräumt.«
    »Dieser
Schwachsinn interessiert mich nicht. Ich will wissen, ob du heute
Nacht im Schlosspark übernachtet hast?«
    »Nein, Herr
Kommissar!«
    »Wenn du heute
Nacht im Schlosspark warst, kriegen wir das raus, das kannst du mir
glauben!«
    »Ich war nicht
da, Herr Kommissar! Ein Kumpel hat mich gestern in seine Wohnung
eingeladen, bis heute Morgen, ehrlich.«
    »Petra
Ørsted soll deine Schwester sein und du willst mir
erzählen, dass du nicht im Schlosspark
warst?«
    »Aber Petra ist
meine Schwester, ich war heute Morgen in ihrem Büro, um sie zu
besuchen.«
    »Wohl eher, um
sie auszurauben, stimmts? Erst erschießt du sie im
Schlosspark und danach willst du ihr Büro ausrauben. Zu
blöd, dass dir welche zuvorgekommen sind.«
    »Was sagen Sie
denn da? Ich hab niemanden erschossen!«
    »Doch, deine
Schwester! Du hast deine Schwester erschossen!«
    »Sie wollen mich
reinlegen, niemand hat meine Schwester
erschossen.«
    »Du kommst mit
aufs Revier, Freundchen. Ich quetsch dich aus wie eine Zitrone, das
verspreche ich dir!«
    *
    Das quadratische
Zimmer, das in einer Ecke vom Großraumbüro abgetrennt
wurde, hat nur eine Wand. Von außen sieht es aus wie ein
Glaskasten, einem überdimensionalen Aquarium nicht
unähnlich. Darin sitzt ein mittelgroßer Mann an seinem
Schreibtisch und drückt seinen Bauchansatz an die Tischkante.
Stapelweise Zeitungen füllen das Regal in seinem Rücken.
Es riecht nach frischen Brötchen, die Theodor Bigdowski sich
gerade vom Bäcker hat mitbringen lassen, zusammen mit einer
riesigen Plastikschale Krabben in Mayonnaise. Vor ihm auf dem
Computerbildschirm das Layout für die Titelseite der morgigen
Ausgabe. Die Schlagzeile des Aufmachers fällt sofort ins Auge:
Der Mörder ist noch in der Stadt. Nicht schlecht, kommentiert
der Chefredakteur innerlich, während er den dazugehörigen
Artikel noch einmal überfliegt. Voller Genugtuung kann er sich
ein Lächeln nicht verkneifen, bricht ein Stück von einem
der Roggenbrötchen ab, zieht es durch den Krabbensalat und
stopft den Happen in den Mund.
    Selbst wenn es
blasphemisch klingt, für die Auflage ist dieser Mordfall ein
Geschenk Gottes, denkt der Chefredakteur. Endlich die seltene
Gelegenheit, dass eine Lokalnachricht die Titelseite bestimmt. Das
kommt genau zur richtigen Zeit.
    Er hatte schon lange
die Absicht, die erste Seite der Husumer Rundschau
reißerischer zu gestalten. Grund für diese
Überlegung ist die sinkende Auflage, die in den letzten Jahren
erst stagnierte und jetzt bei knapp 22.000 liegt, Tendenz
abwärts. Das liegt natürlich nicht am Inhalt der Zeitung,
da ist sich Bigdowski sicher, das Hauptproblem liegt im Wegsterben
der alten Leserschaft, an deren Stelle nicht genügend
jüngere Kunden treten.
    Jugendliche haben
heutzutage immer weniger Lust zu lesen, die glotzen lieber,
vermerkt er verbittert, bricht ein weiteres Brötchenstück
ab, schaufelt Krabbensalat darauf und kaut es hastig. Ein
plötzlicher stechender

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