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Poppenspael

Poppenspael

Titel: Poppenspael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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auf.
»Ich bin sicher, wenn wir uns jeden einzeln vornehmen und ihm
gehörig auf den Zahn fühlen, wird einer schon über
kurz oder lang reden.«
    *
    »Ich möchte
Herrn Šemik sprechen, Wiktor Šemik«, sagt
Stephan Mielke.
    »Wen darf ich
bitte melden?«, fragt die Empfangsdame an der
Rezeption.
    »Stephan Mielke,
Kriminalpolizei Husum«, erwidert der Oberkommissar, zieht
seinen Dienstausweis heraus und hält ihn hoch. Die junge Frau
wirft nur einen flüchtigen Blick darauf. Sie greift nach dem
Telefonhörer, steht eine Weile mit dem Hörer am Ohr, um
sich dann wieder dem Polizeibeamten zuzuwenden.
    »Herr
Šemik meldet sich nicht. Er ist nicht auf seinem Zimmer, hat
das Hotel aber nicht verlassen. Ich kümmere mich darum,
würden Sie bitte einen Moment Platz nehmen.«
    Stephan Mielke ist das
erste Mal im Nobelhotel ›Altes Gymnasium‹. Er
fühlt sich ein wenig wie ein Fremdkörper in dem
stilvollen Ambiente und bleibt lieber stehen, anstatt sich in einen
dieser piekfeinen Sessel in der Empfangshalle zu setzen.
    »Herr
Šemik möchte zwar gerade ein Essen im Wintergarten
einnehmen«, hört er die Stimme der jungen Frau kurze
Zeit später hinter sich, »aber er hat mich trotzdem
gebeten, Sie zu ihm zu bringen. Folgen Sie mir
bitte!«
    Als der Oberkommissar
sich umdreht, sieht er nur noch ihren Rücken davoneilen. Er
bleibt der Frau auf den Fersen, die mit ausladenden Schritten an
Vitrinen mit erlesener Kleidung und Schmuck vorbeistürmt. Das
Restaurant ist eine Glaskonstruktion, in der verzierte
Metallstühle vor runden Tischen stehen. Noch bevor die
Empfangsdame den Oberkommissar am richtigen Tisch abliefern kann,
hat der den dort sitzenden Mann schon ins Auge gefasst.
    »Bitte setzen
Sie sich doch«, sagt der Puppenspieler übertrieben
freundlich. »Sie sind von der Polizei, hab ich gehört.
Was führt Sie zu mir? Wurde mein Bühnenfahrzeug irgendwo
falsch geparkt?«
    »Ich bin von der
Kriminalpolizei, Herr Šemik«, sagt Stephan Mielke,
während er sich setzt und das rechteckige Gesicht des Mannes
mustert. »Sie haben sicherlich von den Morden im Schlosspark
gehört?«
    »Von Morden?
Hier in der Stadt? Nein, davon weiß ich nichts, ich war den
ganzen Tag auf meinem Zimmer und habe an meinem neuen Stück
gearbeitet.«
    »Heute Nacht
wurden drei Frauen ermordet, die alle im Organisationsteam des
Puppenspiel-Festivals tätig waren.«
    »Mein Gott, wie
schrecklich«, sagt der Mann distanziert. »Ich
weiß schon, warum ich mir keine Nachrichten mehr anhöre!
Und Sie sind hier, weil ich einer der Puppenspieler bin? Aber wie
sollte ich Ihnen da behilflich sein?«
    »Wie gut kannten
Sie Frau Lechner, Hanna Lechner? Sie ist eine der Ermordeten und
war im Vorstand des
Pole-Poppenspäler-Förderkreises.«
    »Der Name sagt
mir im Moment nichts«, überlegt der Puppenspieler und
setzt einen grübelnden Gesichtsausdruck auf. »Das
heißt natürlich nicht, dass ich der Frau nicht
flüchtig begegnet sein könnte. Aber für alles, was
mit meinem Auftritt zu tun hatte, war Frau Meibaum
zuständig.«
    »Sie haben auch
keinen Brief von Frau Lechner erhalten?«
    »Einen Brief?
Von Frau Lechner?«
    »Wir haben einen
Brief in ihrer Wohnung gefunden, in dem Sie angesprochen
werden.«
    »Ich? Sind Sie
da wirklich sicher? Ich weiß nichts von so einem Brief. Ich
kenne die Frau überhaupt nicht.«
    »Ich hab eine
Kopie davon«, sagt der Oberkommissar, zieht einen Zettel aus
seiner Jackentasche und faltet ihn auseinander. Wiktor Šemik
lehnt sich in seinem Stuhl zurück, wirkt aber angespannt.
Stephan Mielke reicht ihm den Zettel über den Tisch und
glaubt, in der Körperhaltung des Puppenspielers eine leichte
Abwehr zu erkennen. Die grünen, etwas tief liegenden Augen
überfliegen den Inhalt und als er das Papier zur Seite legt,
hat sein Gesichtsausdruck deutlich heitere Züge
angenommen.    
    »Ehrlich gesagt,
ich verstehe überhaupt nicht, was diese Dame mir damit sagen
wollte«, resümiert Wiktor Šemik. »Hier zum
Beispiel, wenn ich kurz vorlesen darf: Schafe, die unter die
Wölfe geschickt werden, haben Grund, sich zu fürchten,
denn sie können nur zerrissen werden. Das klingt doch
irgendwie nach religiösem Wahn.«
    »Das ist aus
einer Predigt von Kardinal Ratzinger«, wirft Mielke
ein.
    »Aha, und was
habe ich damit zu tun? Der Brief ist mir auf alle Fälle nie
zugestellt worden.«
    »Und Sie haben
keine Idee, was er bedeuten könnte?«
    »Nein, das sagte
ich doch bereits. Haben Sie sonst noch Fragen?«
    »Nein.«
    »Dann

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