Poppenspael
Persönliches gesprochen.«
»Dann danken wir
Ihnen erst mal.«
»Na, was sagt
uns das?«, fragt die Hauptkommissarin, als die rundliche Frau
mit stampfenden Schritten am Ende des Flurs um die Ecke
biegt.
»Einiges! Werner
hat mir das letzte Mal gesagt, die Lechner wusste von dieser
Anschuldigung nichts. Ich finde, wir nehmen uns den
stellvertretenden Rektor noch einmal vor.«
»Wir sollten ihn
aber mal richtig anpacken!«
»Du versuchst es
lieber auf die harte Tour?«
»Wie soll es
sonst gehen? Ich finde dich manchmal einfach zu nachsichtig mit
offensichtlichen Lügnern.«
»Du hast recht,
manchmal versuch ich einfach, nachsichtig zu
sein.«
Silvia Haman guckt
ihren Kollegen demonstrativ von der Seite an. Swensen grinst
übers ganze Gesicht und geht ohne ein Wort über den Flur,
als wäre das Thema erledigt. An der Tür mit dem
Messingschild ›Rektorat‹ stoppt er, klopft kurz an
und tritt ein. Die junge Frau hinter dem Schreibtisch trägt
ein ähnliches Kostüm wie am Dienstag. Swensen stellt
seine Kollegin vor und sagt, dass er Florian Werner sprechen
möchte. Die Frau meldet die Kriminalisten an und winkt sie
durch ins Büro. Florian Werner sitzt hinter dem Schreibtisch
vor einem Stapel Papier. Sein Blick bekommt etwas Abweisendes, als
er den Hauptkommissar erkennt.
»Oh, Sie haben
Verstärkung mitgebracht?«, fragt er
süffisant.
»Hauptkommissarin
Haman«, stellt Swensen seine Kollegin vor. »Herr
Werner, es hat sich ein neuer Sachverhalt ergeben. Sie haben uns
verschwiegen, dass Sie wegen sexueller Nötigung vor zehn
Jahren zu sechs Monaten auf Bewährung verurteilt
wurden.«
»Weil dieses
Verfahren eine einzige Farce war. Die Frau hat mich eindeutig
angemacht, und als ich darauf nicht eingegangen bin, hat sie mich
angezeigt.«
»Das haben die
Richter aber anders gesehen«, braust Silvia Haman
auf.
»Weil alle
voreingenommen waren. Man hat es von Anfang an auf mich abgesehen
gehabt.«
»Kein Grund, die
Tatsache zu verschweigen«, meint Swensen ruhig. »Damit
haben Sie sich Ihre Glaubwürdigkeit
verscherzt!«
»Sie wollen die
alte Sache doch nicht etwa mit Ihrem Fall verquicken? Das hat gar
nichts miteinander zu tun.«
»Das sagen Sie!
Wir wissen in der Zwischenzeit, dass Frau Lechner sehr wohl von dem
Vorfall hier an der Schule gewusst hat. Da kann man schon ins
Grübeln kommen, oder? Vielleicht hat sie Ihnen ja gedroht, die
Schulbehörde in Kenntnis zu setzen?«
»Sie biegen sich
alles hin, wie es Ihnen am besten in den Kram passt. Um Ihren
Mordfall aufzuklären, ist Ihnen jedes Mittel
recht!«
»Ich reagiere
nur darauf, dass Sie uns für dumm verkaufen wollten, Herr
Werner. Wo waren Sie am Montag gegen 23 Uhr?«
»Um diese Zeit
sind über 90 Prozent aller Husumer zu Hause.«
»Und Sie haben
natürlich niemanden, der das bezeugen kann?«
»Ich war allein,
wenn Sie das hören wollen?«
»Wir wollen nur
die Wahrheit hören, Herr Werner. Wenn Sie keinen Zeugen haben,
bleiben Sie auf der Liste der Verdächtigen, so einfach ist
das.«
»Sie wollen mir
da etwas anhängen, das spür ich doch.«
»Sie sind
vorbestraft wegen sexueller Nötigung«, platzt es aus
Silvia Haman heraus. »Ihnen braucht man nichts
anzuhängen.«
Swensen wird klar,
dass sich das Verhör im Kreis zu drehen beginnt. Es macht
keinen Sinn, Florian Werner immer stärker zu attackieren, der
Mann wird nicht freiwillig gestehen. Außerdem ist keineswegs
sicher, ob er überhaupt der Täter ist.
»Es kann
enttäuschend sein, wenn wir erkennen müssen, dass es
besser ist, unsere Erwartungen loszulassen«, spricht Rhinto
Rinpoche dem Hauptkommissar ins Gewissen. »Am liebsten
würden wir lieber auf der Grundlage unserer vorgefassten
Meinungen leben. Aber das entspricht nicht der
Wirklichkeit.«
»Frau Lechner,
was war sie für ein Mensch?«, ändert Swensen seine
Taktik.
Ȇber Frau
Lechner gibt es kaum etwas zu sagen. Sie hat nie etwas aus ihrem
Privatleben preisgegeben. Ich habe, solange ich sie kenne, nichts
Persönliches erfahren.«
»Aber es muss
doch so etwas wie eine Personalakte geben?«
»Gibt es sicher,
aber die wird beim Ministerium für Bildung und Wissenschaft
geführt. Der Schulleiter darf nur eine Handakte
führen.«
»Ich würde
nur gern einen Blick auf den Lebenslauf werfen.«
Florian Werner geht
zur Tür, öffnet sie und ruft: »Frau Ischen,
können Sie bitte die Handakte von Frau Lechner
rüberbringen.«
Der Lehrer wartet im
Türrahmen, bis er die Mappe in Empfang nehmen kann, um sie
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