Poppenspael
an
Swensen weiterzureichen. Der überfliegt das Papier und stellt
sofort fest, dass die Daten nichts Spektakuläres zu Tage
fördern: 13. Mai 1943 in Pitzling geboren. Gymnasium. Studium
in München. Geburt eines Sohnes. Arbeit als Lehrerin in
Nürnberg. Umzug nach Husum und Lehrerin am Forchhammer
Gymnasium, Rektorin.
Sie hat einen Sohn.
Immerhin ein Punkt, bei dem man ansetzen kann, denkt der
Hauptkommissar, reicht die Mappe an Florian Werner zurück und
erinnert sich daran, dass Bayern gerade das neue zentrale
Auskunftssystem der Einwohnermeldeämter eingeführt hat.
Bei ZEMA können aus persönlichen Daten einzelner Personen
sogenannte Adressketten gebildet werden.
Ein Klacks, und ich
werde alles über Hanna Lechner wissen.
*
»Hundertprozentig sicher,
Herr Swensen«, erklärt der Schusswaffenexperte Gerd
Schrott vom LKA Kiel. »Wir haben die abgefeuerten Projektile
Ihrer sichergestellten Waffe unter dem Vergleichsmikroskop mit den
Projektilen vom Tatort verglichen. Die Schrammen im Metall der
Hülsen sind nicht identisch. Die Waffe Ihrer Verdächtigen
aus Russland ist mit Sicherheit nicht die Mordwaffe aus dem
Schlosspark.«
»Damit ist der
Traum, den Fall schnell zu lösen, erst mal geplatzt«,
sagt Swensen. »Besten Dank, Herr Schrott. Beim nächsten
Mal haben wir vielleicht mehr Glück.«
Der Hauptkommissar
nimmt die Auskunft gelassen hin, er hatte sowieso nicht ernsthaft
an ein positives Ergebnis geglaubt. Die Idee von der russischen
Mafia, die im Schlosspark drei Frauen tötet, war
natürlich, allein wegen der brutalen Gewalt, ein naheliegender
Gedanke. Jetzt ist aber sicher, dass der Überfall auf das
Steuerbüro von Petra Ørsted nichts mit den Morden zu
tun hat. Dass die Männer die Akten der Firma Asmussen mitgehen
ließen, deutet auf irgendwelche krummen Geschäfte mit
Russland hin.
Soll sich die
Abteilung für Wirtschaftsdelikte beim LKA damit befassen,
denkt er und überlegt, ob er Maria Teske von der Husumer
Rundschau einen entscheidenden Tipp geben soll. Wenn die Presse der
Firma auf den Pelz rückt, verliert einer der Verantwortlichen
vielleicht die Nerven. Außerdem wäscht eine Hand die
andere.
Swensen lässt
seinen Computer hochfahren, geht ins Internet, ruft das Portal der
ZEMA auf und lässt sich die Melderegisterauskunft von Hanna
Lechner zusenden. Mit einem Mausklick öffnet er die Datei.
Auch hier bieten die Fakten auf den ersten Blick nicht viel Neues,
doch dann stutzt der Hauptkommissar.
Hanna Lechner war nie
verheiratet, stellt er erstaunt fest. Das Kind ist also unehelich.
Den Vater hat sie als unbekannt angegeben. Sebastian Lechner wurde
am 21. Januar 1971 in München geboren. Da war die Mutter 27
Jahre alt und gerade mit dem Studium fertig. In Nürnberg hat
sie mehrere Jahre Sozialhilfe bezogen und ist erst 1976 in den
Schuldienst übernommen worden. Danach folgt ein großer
Bruch. Die Frau verlässt Bayern, zieht nach Husum, und hier,
innerhalb der grauen Stadt, gibt es dann nur noch einen
Umzug.
Sieht nach einem
einsamen Leben aus, spekuliert Swensen und kann sich nicht
erinnern, dass Mielke in den Frühbesprechungen von irgendeinem
Hinweis auf einen Sohn gesprochen hat. In der Wohnung muss es
anscheinend weder ein Foto noch einen Brief von ihm gegeben haben.
Es wäre der Mühe wert, nach diesem unbekannten Sohn zu
fahnden, überlegt der Hauptkommissar, fragt sich aber
gleichzeitig, ob die vielen Spuren vor Ort nicht ergiebigere
Ergebnisse liefern werden. Trotzdem erregt der drastische
Ortswechsel der Hanna Lechner aus dem tiefsten Süden in den
hohen Norden Deutschlands seine Neugier. Es erscheint ihm fast wie
eine Flucht.
Sie wurde immerhin in
Pitzling geboren. Eine Oberbayerin bei uns Fischköppen, das
muss doch ein Kulturschock sein. Die Eltern, vielleicht sollten wir
auch die Eltern ausfindig machen?
Swensen will gerade
die Suche mit dem Namen Lechner in Pitzling starten, da sieht er
Silvia Haman mit leuchtenden Augen im Türrahmen
stehen.
»Die DNA stimmt
überein!«, jubelt sie und hält ihm freudig einen
Faxbogen entgegen.
»Welche
DNA?«, fragt Swensen leicht irritiert. »Ich weiß
im Moment nicht, wovon du redest, Silvia.«
»Sören
Ørsted! Die Blutspuren, die wir beim letzten Einbruch vor
dem Haus gefunden haben, wurden eindeutig Sören Ørsted
zugeordnet.«
»Der Mann hat
die Einbrüche doch bereits gestanden.«
»Schon, aber nun
ist es endgültig festgeschrieben! Ich denke, das ist genau der
Zeitpunkt, um Ørsted noch mal richtig in die Mangel
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