Poppenspael
die
Rede! Also, das … das ist mir ziemlich unangenehm«,
druckst die Vorsitzende herum, sichtlich angespannt.
»Was ist denn
los?«
»Nun, ich
… wir, also der Vorstand, mussten den Abend
gezwungenermaßen etwas umdisponieren. Lange Rede, kurzer Sinn
… äh, ich meine, das mit deiner Rede wird heute nichts,
leider. Wir verschieben das auf einen anderen Abend,
versprochen!«
»Was, so
plötzlich? Was ist denn passiert?«
»Ja nun, mit
unheimlich viel Glück und ein wenig Hilfe hat der
Staatssekretär aus dem Kultusministerium in Kiel, Dr. Rudolf
Ellert-Esmarch zugesagt, die Pole-Poppenspäler-Tage in diesem
Jahr zu eröffnen.«
»Na,
toll!«
»Das war eine
einmalige Gelegenheit, das konnten wir uns nicht entgehen
lassen.«
»Verstehe, und
deshalb wandert meine Eröffnungsrede in den
Müll!«
»Die Sache mit
dem Staatssekretär hat einen kleinen Haken. Wir haben seine
Zusage indirekt der Frau Rebinger zu verdanken. Also, eigentlich
natürlich ihrem Mann, dem Staatsanwalt Rebinger. Der kennt den
Staatssekretär zufällig persönlich, weil beide in
derselben Partei sind.«
»Darf ich raten,
CDU, oder?«
»Ronja, das hat
nichts mit dir persönlich zu tun!«
»Womit hat es
dann zu tun?«
»Jemand aus der
Kieler Landesregierung ist ein Aushängeschild für unser
Festival. Das wertet unsere Arbeit enorm auf. Selbst die Presse
wird dem Festival gleich ganz andere Beachtung
schenken!«
»Und deshalb
wird unser Festival nicht mehr von uns selbst
eröffnet?«
»Doch, auch eine
von uns wird was sagen. In diesem Fall würde Staatsanwalt
Rebinger es liebend gern sehen, wenn seine Frau die Gelegenheit
dazu bekommt.«
»Nee, nech! Das
glaub ich jetzt nicht!«
»Ronja, nun sei
nicht böse! Wir mussten uns da einfach diplomatisch
verhalten.«
»Aber die
Rebinger ist überhaupt erst das erste Mal
dabei.«
»Frau Rebinger
hat mit der Entscheidung nichts zu tun. Ihr Mann wünscht, dass
sie davon nichts erfährt.«
»Aber unangenehm
ist es ihr nicht, oder?«
»Es ist gut
für die Zukunft der Pole-Poppenspäler-Tage, Ronja! Und
außerdem werde ich vor den Reden sowieso alle Ehrenamtlichen
nach vorn bitten und sie dem Publikum vorstellen.«
»Schön
für uns, alle dürfen mal kurz in die erste
Reihe!«
»Das ist unfair
von dir, finde ich!«
»Macht nichts,
ich brauch jedenfalls frische Luft«, beendet Ronja Ahrendt
das Gespräch, lässt Hanna Lechner ohne ein weiteres Wort
stehen und stürmt gegen den Strom der Besucher die Holztreppe
hinab. Vor der Eingangstür wäre sie beinahe mit Susan
Biehl zusammengestoßen.
»Hey, Ronja! Wo
willst du denn jetzt noch hin?«
»Ich muss hier
raus!«, knurrt die Krankenschwester.
»Was machst du
denn für ein Gesicht?«, fragt Susan in ihrer typischen
Singsangstimme und zieht die Freundin unsanft in eine leere Ecke im
Schlosshof. »Los, erzähl schon, was passiert
ist!«
»Die Lechner hat
grade meine Eröffnungsrede gekippt und die Rebinger kurzerhand
auf meinen Sockel gehoben.«
»Was? Aber die
Rebinger ist doch gerade erst dabei!«
»Hab ich auch
gesagt. Der Herr Staatsanwalt hat seine Beziehungen spielen lassen,
das übliche Geklüngel.«
»Hast du seine
Frau schon gesehen?«
»Ich denke, die
sitzt oben an der Kasse.«
»Und? Hast du
sie damals im Hotel getroffen?«
»Nee! Wenigstens
ein Lichtblick, Susan! Muss sich wohl doch um ’ne
zufällige Namensdopplung handeln«, sprudelt es aus Ronja
erleichtert heraus, während sie eine Schachtel Zigaretten aus
der Jackentasche zieht.
»Was machen wir
nun?«, fragt Susan nach einer Pause.
»Ich bleib
solange hier unten, bis das Stück anfängt«, stellt
Ronja fest und zündet die Zigarette an. »Im Moment
verspüre ich wenig Lust, da oben als Nummer im
Organisationszoo vorgeführt zu werden.«
»Versteh ich
gut. Warten wir zusammen, bis das Stück
anfängt.«
Der Schlosshof ist in
der Zwischenzeit verwaist. Die beiden Frauen stehen schweigend
nebeneinander. In gleichmäßigen Abständen
bläst Ronja den Rauch ihrer Zigarette in die klare Luft. Der
Mond lugt über das Schlossdach, spiegelt seine Scheibe im Lack
der parkenden Autos. Plötzlich kommen zwei Autolichter die
schmale Pflasterstraße hinauf. Ein schwarzer Mercedes biegt
auf den Hof und fährt direkt vor den Haupteingang. Ein
mittelgroßer, stämmiger Mann im dunklen Anzug steigt aus
und verschwindet hastig im Gebäude.
»Das …
das war der Typ aus dem Hotel«, sagt Ronja.
»Bist du sicher?
Das ist Staatsanwalt Rebinger!«, säuselt
Susan.
»Klar
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