Poppenspael
kühlen Nacht ins
Schwitzen geraten ist, und lässt sich das glaslose
Brillengestell zeigen.
»Die Bügel
sind verbogen, siehst du hier«, sagt der und streicht seinen
Schnauzer mit dem Handrücken zur Seite. »Vielleicht
findet das Kieler Labor noch Spuren.«
»Wir schnappen
uns den Kerl schon!«, knurrt Swensen.
»Und
wenn’s eine Frau war?«
»Glaub ich
nicht, das sieht nicht nach einer mordenden Frau aus. Die gehen
gewöhnlich viel emotionaler vor, planen ihre Tat nicht
ellenlang im Voraus. Und diese außergewöhnlich brutale
Vorgehensweise, eher untypisch für Frauen. Der Täter ist
mit Kalkül und völlig skrupellos vorgegangen, der hat
nicht einen Moment lang gefackelt und eiskalt eine Frau nach der
anderen erschossen. Alles muss sehr schnell gegangen sein, bei den
Toten gibt es keinerlei Anzeichen von
Flucht.«
»Aber es wurden
drei Frauen gleichzeitig umgebracht«, widerspricht Hollmann.
»Das riecht, finde ich jedenfalls, schon sehr nach einer
Rivalität unter ihresgleichen. Männer töten Frauen
meistens einzeln, wenn sie mit ihr eine Rechnung offen haben.
Selbst Wiederholungstäter bringen meistens nur eine
um.«
»Der Fotograf
ist da«, unterbricht Mielke. »Kann er gleich
loslegen?«
»Hier sind wir
fertig, kann kommen«, ruft Hollmann zurück.
Ein spindeldürres
Männchen, die Nikon im Anschlag, tritt mit zusammengekniffenen
Augen in den Lichtkreis. Er hat ein spitzes Gesicht und kurz
geschnittene rote Haare. Richard Gerber, Swensen kennt ihn bereits,
und er weist ihn, nach knapper Begrüßung, ohne viele
Worte ein.
»Machen Sie
unbedingt ein paar Bilder vom gesamten Tatort, damit wir auch die
Lage der Opfer zueinander auf den Fotos haben. Ansonsten das
Übliche, bitte.«
Gerber nimmt seine
Kamera ans Auge und beginnt mit seiner Arbeit. Swensen sieht sich
nach Silvia Haman um. Sie steht in der kleinen Gruppe um den Chef,
die sich außerhalb des Lichtkegels zusammengefunden
hat.
»Also, wir haben
hier als Erstes eine gewisse Hanna Lechner«, sagt die
Hauptkommissarin gerade, als Swensen dazukommt. »Ist am 13.
Mai 1943 in Pitzling geboren. Noch nie davon gehört, ist dir
das Kaff bekannt, Jan?«
Swensen schüttelt
den Kopf.
»Liegt in
Oberbayern«, mischt Mielke sich ein. »Der Geburtsort
von Luise Rinser.«
»Luise
Rinser?«, fragt Silvia Haman.
»Silvia«,
hebt Mielke die Stimme. »Die Schriftstellerin Luise Rinser
gehört zur Allgemeinbildung. Außerdem ist sie dieses
Jahr im März gestorben, das muss man doch mitbekommen haben.
Ich kann nur empfehlen, ›Jan Lobel aus Warschau‹ zu
lesen.«
Silvia verzieht ihr
Gesicht, traut sich aber nicht, mit einer ihrer Spitzen zu
parieren. »Also, wir haben eine Bayerin in Husum«,
fährt sie fort, als hätte Mielke nichts gesagt.
»Die Frau wohnt in der Süderstraße
66.«
Die Oberkommissarin
reicht den Personalausweis in die Runde und dieser kreist von Hand
zu Hand.
»Nummer zwei ist
Ronja Ahrendt, am 28. Februar 1971 in Husum geboren, wohnt in der
Brüggemannstraße 123. Und dann haben wir noch Petra
Ørsted, am 7. Dezember 1964 ebenfalls in Husum geboren,
wohnt in Finkhaushallig im Westerkoogweg 31.«
»Ronja
Ahrendt«, murmelt Swensen, als er den zweiten Personalausweis
in die Hand bekommt. Er schaut sich das Bild genau an. Irgendein
Gefühl sagt ihm, dass er das Gesicht kennt.
»Ronja
Ahrendt?«, fragt er laut. »Wo liegt die Frau,
Silvia?«
»Die liegt von
hier aus links am Wegrand«, antwortet die Hauptkommissarin
und deutet auf den Lichtkreis. Swensen eilt an den Ort, kniet sich
vor der Leiche hin und sieht ihr genau ins Gesicht.
Kein Zweifel, das ist
die Frau aus dem Dante, vom Samstagabend, als Anna und ich Susan
dort getroffen haben. Die saß ganz hinten an dem langen Tisch
in der Ecke. Und am Sonntag stand sie an der Kasse, bei der
Vorstellung ›Bulemanns Haus‹. Sie muss also, wie
Susan, bei den Pole-Poppenspäler-Tagen mitgemacht
haben.
*
Heiner Bremer, die
weißhaarige Galionsfigur des RTL-Nachtjournals, verhaspelt
sich wieder einmal bei der Abmoderation, und bevor er seinen Satz
geordnet zu Ende bringen kann, springt das Bild auf der Mattscheibe
ins Schwarz. Susan Biehl legt die Fernbedienung aus der Hand,
schließt die Augen, gähnt und reckt sich lang anhaltend,
bevor sie sich aus dem Sofa erhebt. Müde schleicht sie ins
Badezimmer und putzt etwas lustlos die Zähne. Ihr Abbild im
Spiegel scheint bereits eingeschlafen zu sein, sie kann es nur noch
verschwommen wahrnehmen. Die Freitage hatte sie
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