Poppenspael
die
Arme.
»Ist es wirklich
Ronja?«
»Ja,
eindeutig!«, bestätigt Silvia Haman.
»Nein, das kann
nicht sein. Doch nicht Ronja! Wir haben uns vorhin doch noch
gesehen!«
Das Schluchzen
schüttelt ihren ganzen Körper. Silvia Haman führt
Susan am Arm in ihre Wohnung zurück und setzt sich mit ihr auf
das Sofa. Swensen trottet etwas unbeholfen hinterher. Es dauert
mehrere Minuten, bis die Sekretärin ihre Hände vom
Gesicht nimmt. Ihr Gesicht ist kreidebleich, die Nachricht scheint
in ihrem Bewusstsein angekommen zu sein.
»Und die beiden
anderen Frauen?«, fragt sie in einem Ton, der die Antwort
kennt. »Das sind Petra Ørsted und Hanna
Lechner?«
Swensen bejaht durch
Kopfnicken, kniet sich neben seine Kollegin und fasst nach ihrer
Hand. »Woher wissen Sie das, Susan?«
Der Sekretärin
laufen erneut die Tränen über die Wangen. »Ich
… beinah wäre ich … mit in den Schlosspark
gegangen«, stammelt sie. »Oh mein Gott, wenn ich
mitgegangen wäre? Oh mein Gott!!«
Silvia reicht ihr ein
Papiertaschentuch. Sie nimmt es, wischt die Augen und schnäuzt
sich dann die Nase. »Wir wollten ins Dante … alle
… und sind dann auch los, und ich hatte plötzlich keine
Lust mehr, wollte lieber nach Haus, und diese Frau von der Zeitung
war auch dabei, Maria Teske von der Rundschau, und die wollte nicht
durch den Schlosspark, und die anderen sind dann aber diesen Weg
gegangen.«
»Wann war das,
Susan?«
»Gerade eben,
Herr Swensen, ich bin gerade eben erst nach
Hause.«
»Wie spät
war es denn ungefähr, Susan?«
»Weiß ich
nicht genau, kurz vor elf, schätze ich.«
»Haben Sie so
was wie Schüsse gehört?«
»Es hat so
komisch geknallt … dreimal, glaube ich, kurz hintereinander,
ziemlich laut. Ich hab noch zur Frau von der Zeitung
rübergeschaut. Die hat aber nur mit den Schultern gezuckt und
gesagt, das war bestimmt so ’ne Fehlzündung von einem
Auto.«
»Kennen Sie
Ronja Ahrendt näher, Susan?«, fragt Swensen
vorsichtig.
»Sie …
sie ist meine beste Freundin.«
»Das tut mir
alles sehr leid, Susan, aber ich muss trotzdem noch ein paar Fragen
stellen. Ihre Freundin wohnt in der Brüggemannstraße,
ist sie verheiratet oder lebt sie mit jemandem
zusammen?«
»Nein, sie wohnt
allein.«
»Und sie hat
auch keinen Freund?«
»Nein!
Zu… zumindest keinen festen«, antwortet die Kollegin.
Swensen bemerkt, wie sie ihre Augen nach rechts oben bewegt und
dabei die Handflächen nach außen dreht. Das typische
Verhalten, wenn jemand lügt, schießt es dem
Hauptkommissar durch den Kopf, aber er verwirft seinen Gedanken
sofort wieder. Du siehst mittlerweile überall Gespenster, mein
Lieber, sagt er sich innerlich, warum sollte Susan uns
anlügen.
»Aber sie hatte
schon mal einen Freund, oder?«
»Klar …,
aber ich … kenne keinen persönlich.«
»Gibt es
jemanden, den wir benachrichtigen sollten?«
»Die Eltern,
mein Gott, ich muss den Eltern Bescheid sagen.«
»Das ist nicht
Ihre Aufgabe! Wissen Sie, wo wir die Eltern erreichen
können?«
»Nein, ich muss
da mit hin«, bleibt Susan Biehl unbeirrt, springt vom Sofa
auf, eilt in den Flur und reißt ihre Jacke von der Garderobe.
»Die können doch nach so einer schrecklichen Nachricht
nicht allein bleiben. Immerhin kennen wir uns seit
Jahren.«
»Okay, Susan,
kommen Sie einfach mit«, lenkt der Hauptkommissar ein.
»Aber Sie müssen versprechen, erst mal im Hintergrund zu
bleiben und uns das machen zu lassen.«
*
Ein mittelgroßer
Mann tritt in den Lichtkegel des angestrahlten Tatorts. Er ist
schlank, hat ein schmales, rechteckiges Gesicht mit großen
Augen und breitem Mund, fast schulterlange Haare, und seine
Körperhaltung deutet an, dass er gut durchtrainiert ist. Was
er dort sieht, trifft ihn mit unerwarteter Wucht. Der Anblick der
drei erschossenen Frauen hat eine anrührende Tragik, die
selbst seine routinemäßige Abgebrühtheit
überwindet und seine Augen feucht werden lässt. Auf den
toten Gesichtern scheint sich das ganze Entsetzen dieser Tat
widerzuspiegeln. Natürlich hatte man ihn am Telefon bereits
vorgewarnt, was ihn vor Ort erwarten würde, aber die
Realität ist immer wieder ein Stück brutaler, als jede
Fantasie es sich ausmalen kann. Nach dem ersten Schock ist ihm
klar, dass er das Gesehene möglichst schnell wegstecken muss,
sonst verfolgen die Toten ihn bis in den Schlaf. Außerdem
lässt sein Beruf keinen Raum, sich einfach hier hinzustellen
und loszuheulen.
An seinen ersten
Tatort kann er sich noch heute erinnern und an
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