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Populaermusik Aus Vittula

Titel: Populaermusik Aus Vittula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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mehreren Gelegenheiten enterbt worden, was aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten wieder rückgängig gemacht worden war. Andere sollten nur unter bestimmten Bedingungen erben, wie beispielsweise, wenn sie sich im Beisein der Familie zum wahren Glauben bekannten oder dem Teufel des Alkohols abschworen oder die Versammelten plus Jesus Christus um Vergebung für eine Anzahl genauestens beschriebener Sünden baten, die sich im Laufe der Jahre angehäuft hatten. Der ganze Text war mehrere Male bezeugt und unterzeichnet worden, abgesehen leider von den wichtigen losen Blättern. Außerdem war alles auf Tornedalfinnisch geschrieben.
    Allein das Vorlesen in der verräucherten Küche dauerte mehrere Stunden. Man war gezwungen, jedes Wort ins Schwedische, Reichsfinnische, Englische, Deutsche und Persische zu übersetzen, da die Tochter in Växjö mit einem eingewanderten Sunnimoslem verheiratet war. Die religiösen Abschnitte bereiteten dabei besonders große Schwierigkeiten. Eine Grundbedingung, um überhaupt etwas zu erben, war also, dass man sich zum wahren Glauben bekannte, was die meisten der Tornedalbewohner als Laestadianismus interpretierten. Gegen diese Übersetzung protestierten sowohl der Sunnimoslem, die angeheirateten Neuseeländer, die Juden wie auch die Tochter aus Frankfurt, die zum Baptismus konvertiert war, die alle nacheinander erklärten, dass ihr Glaube genauso wahr sei wie der irgendeiner anderen Person in der Runde. Großmutters jüngerer Bruder aus Ullatti stellte mit dröhnender Stimme fest, dass er als Westlaestadianist der Christlichste überhaupt in der Gesellschaft sei, woraufhin ein ostlaestadianischer Cousin, auch noch einer aus der Gemeinde der Erstgeborenen, gemeinsam mit ein paar Altgläubigen voller Inbrunst protestierte. Eine Frau aus dem finnischen Glaubenszweig geriet sofort in liikutuksia und begann in ihrer Ekstase zu springen und wüten, dass der Schweiß spritzte. Andere fielen sicherheitshalber ein und bekannten mit rudernden Armen ihre Sünden, weinten, umarmten einander und fielen auf den Flickenteppichen zu Boden.
    Schließlich erhob Isak sich und brüllte etwas von Mäulern, die gefälligst gehalten werden sollten, und das auf Schwedisch und auf Finnisch. Ein alkoholisierter Cousin zweiten Grades aus Kainulasjärvi wurde auf frischer Tat ertappt, wie er eigenhändig einen Zusatz zum Testament schrieb, und rausgeworfen. Es wurde ein Waffenstillstand ausgerufen, und nach einer Serie von Protesten und gegenseitigen Anklagen verbreitete sich eine angespannte Ruhe. Mehrere forderten, dass ihre gerade bekannten Sünden und andere Beweise ihres wahren Glaubens im Protokoll verzeichnet werden sollten, was nach einer Abstimmung erfolgte.
    Nach einem nochmaligen Vorlesen herrschte eine endgültige, tief greifende Verwirrung. Ein ruhiger Ingenieur aus Uppsala, der mit der neuen Rechenmaschinentechnik arbeitete, schlug vor, man könne doch das gesamte Testament mit sämtlichen Zusätzen und Änderungen in ein Lochkartenprogramm eingeben und dann nach einigen Durchgängen mit Hilfe der Logik das Erbe rechtmäßig verteilen. Einige hielten sofort dagegen, dass ein Südländer, ein ummikko und offenbar ein Angeheirateter, doch bitte schön seine große Klappe halten solle, wenn die Angelegenheiten der Familie besprochen würden. Geschwister, Cousins und Cousinen und Vetter und Basen dritten Grades scharten sich darauf in leise murmelnden Gruppen zusammen, um die weitere Taktik zu beraten. Ein durchdringendes Getu-schel verbreitete sich. Fühler wurden ausgestreckt, Vorschläge vorgelegt und verworfen, Allianzen gebildet und wieder gebrochen, mehr oder weniger getarnte Drohungen via Boten zwischen den einzelnen flüsternden Grüppchen ausgetauscht. Einige der Männer begaben sich gemeinsam nach draußen, um hinterm Haus zu pinkeln, und kamen verdächtig erfrischt zurück. Blicke wurden ausgetauscht. Ärmel hochgekrempelt. Der Protokollführer, ein dünnhaariger Verwaltungsangestellter, schlug mit seinem Stift gegen die Kaffeetasse und rief die Versammlung zur Ruhe. Die Leute drängten unter erregtem Schnauben zum Küchentisch, während sie sich gegenseitig ermahnten, doch leise zu sein.
    »Hrm. Härrruuuuummm ...«
    So weit der Kanzlist in seiner Unparteilichkeit ermitteln konnte, sollte das Erbe, und zwar der gesamte Wert von Haus, Ausbauten, Grund und Boden, Hausrat, Geld, Bankguthaben sowie ein kleineres Waldgebiet, in einhundertdreiundvierzig gleiche Teile geteilt werden, abgesehen von dem

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