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Populaermusik Aus Vittula

Titel: Populaermusik Aus Vittula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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Spinnrad, das die Nachbarin bekommen sollte.
    Ein Sturm aufgebrachter Stimmen.
    Der Beisitzer, ein pensionierter Zöllner, bat, einen Einwand ins Protokoll aufzunehmen. Nach seiner sicher unbedeutenden, aber in höchstem Grade unparteiischen Auffassung hatten die früheren Redner nicht den Zusatz auf dem losen Blatt Nummer drei bedacht, der von der Bosheit und Sündhaftigkeit des südlichen Schweden handelte, und dass deshalb Haus und Hausrat dem Sohn Isak zufallen sollten, während die übrigen Güter zu gleichen Teilen unter den Verwandten aufgeteilt werden sollten, die in der Gemeinde von Pajala gemeldet waren.
    Der Lärm wurde nur noch größer.
    Die Frage der Nachbarin, wo denn das Spinnrad stehe, wurde schroff abgewiesen.
    Ein Neffe, der als Grubenarbeiter in Kiruna arbeitete, bemerkte, dass sein Wohnort ja wohl kaum zu Südschweden gezählt werden könne und dass er außerdem ein Ferienhaus in Sattajärvi habe und deshalb fordere, als Bewohner von Pajala angesehen zu werden.
    Ein anderer Neffe aus Kieksiäisvaara wies darauf hin, dass der Erstgenannte den Abschnitt auf Seite vierzehn vergessen habe, in dem das LKAB, die nordschwedische Bergbaugesellschaft, als das Babylon des Nordens bezeichnet wurde, und dessen Angestellte zum ewigen Fegefeuer verdammt waren, und dass sein schwarz gebautes Haus im Gebiet von Sattajärvi nichts an der Sache ändere.
    Der alkoholisierte Cousin schlug mit einem Holzscheit gegen die Haustür und forderte wieder eingelassen zu werden.
    Der Jude zog den Sunnimoslem am Kragen, wurde von diesem auf den Schaukelstuhl geschubst, beide schrien und beschimpften sich, während die Frauen daneben standen und übersetzten. Immer mehr Leute baten ums Wort, und das Stiftklopfen des Kanzlisten war in dem Lärm nicht mehr zu hören.
    Dann wurde von irgendjemandem die Faust gehoben. Eine sonntäglich geschrubbte Arbeiterfaust, die wie ein Pilz aus dem schwarzen Morast emporwuchs. Sie vibrierte auf ihrem breiten Stamm, drehte sich wie der Kopf einer Eule hin und her. Sie sollte wohl in erster Linie ein Zeichen setzen. Von einem Maß, das nicht mehr voller werden konnte.
    Aber sofort schoss ein ähnliches Gewächs nach oben. Dann noch eins. Die Leute schrien alle durcheinander. Flüche wurden in allen Sprachen und Dialekten ausgespuckt, Drohungen schlugen wie Ketten um sich, bis die Wände des Rauchstubenhauses wie die Mauern von Babylon zitterten.
    Dann ging es los.
    Aus Rücksicht auf die Angehörigen breche ich hier ab. Ich will es vermeiden, die Kinnhaken, Kopfnüsse, das Nasenblut, die umherwirbelnden Gebisse zu beschreiben, die Brillen, die zerbrachen, oder die hinterhältigen Tritte und Würgegriffe. Ich weigere mich, all die Waffen wie Bratpfanne, Küchenstuhl, Gummistiefel, Müllschaufel, Hundefressnapf und finnische Familienbibel aufzuzählen. Ich überspringe all die lästerlichen Ausrufe, alle Flüche aus dem unerschöpflichen Tornedalfinni-schen wie auch alle herabsetzenden Anklagen hinsichtlich Dummheit, Hässlichkeit, Fettleibigkeit, Inzucht, Senilität, Geisteskrankheit oder abweichender Sexualität, die in aufgebrachten Tonlagen ausgetauscht wurden. Ich sage nur: Es war die Hölle.
    KAPITEL 7
    - über Rockmusik, ihren Einfluss auf das schöne Geschlecht, und wie gefährlich es sein kann, einzutreten, ohne vorher anzuklopfen.
    Gegen Abend kam Niila zu uns nach Hause, die Hand auf die Hemdbrust gepresst. Er war immer noch festlich gekleidet und erregt nach dem Beisammensein mit seiner weitläufigen Verwandtschaft. Nach einigen Drohungen, eine Anzeige bei der Polizei zu machen, und darauf folgenden Gegendrohungen, woraus sich eine lange, verwickelte Folge von Anzeigen hätte entwickeln können, hatte man die zu erwartenden Anwaltskosten kurz überschlagen und anschließend beschlossen, die Sache innerhalb der Familie zu regeln. Dem Ingenieur aus Uppsala war Gelegenheit gegeben worden, dieses Lochkartenprogrammieren näher zu erläutern. Weiterer Alkoholkonsum innerhalb der Grundstücksgrenzen wurde strengstens verboten. Pajalas Krankenstation musste eine überraschend große Anzahl an Personen versorgen, die ausgerutscht war und sich dabei verletzt hatte. Brillen und Zahnprothesen wurden provisorisch mit Isolierband und Kontaktkleber repariert.
    Meine Schwester war nicht zu Hause, also schlüpften wir heimlich in ihr Zimmer. Niila knöpfte sein Hemd auf und zog die körperwarme Single hervor. Feierlich legte ich sie auf den Plattenspieler und senkte den Tonabnehmer. Drehte die

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