Populaermusik Aus Vittula
Geschehnisse im Laufe der Zeit zusammen. Da gab es Klagen und Gegenklagen, falsche Zeugnisse, Bestechung von Amtspersonen, es gab Handgemenge, Drohbriefe, Beschädigungen von Eigentum, Erpressungsversuche und einmal sogar einen viel versprechenden Jagdhund, der gekidnappt und wie ein Rentier im Ohr markiert worden war. Die Gehässigkeiten waren gar nicht alle aufzuzählen, mit denen uns diese Verrückten verfolgt hatten, und obwohl wir uns nach allen Kräften gerächt hatten, lagen wir immer noch reichlich im Hintertreffen. Das Gemeine war, dass die Feindesfamilien falsche Propaganda über uns verbreiteten und die kleinen Gegenaktionen, die uns geglückt waren, bei weitem übertrieben. Deshalb sollte ich mich bei Tanzveranstaltungen und anderen öffentlichen Zusammenkünften, bei denen Racheschläge in Büschen und dunklen Ecken auf eine äußerst unangenehme Art ausgeteilt werden konnten, in Acht nehmen.
Er nannte mir den Namen der Familien und erklärte genau-estens ihre verschiedenen Zweige und Angeheirateten, da sich in gewissen Fällen der Nachname geändert hatte, aber das Blut war immer noch von der gleichen giftigen Sorte wie früher. Auch hier hörte ich den Namen eines Schulkameraden, eines mageren Jungen in der Neunten aus einem der Dörfer, der sich bis dahin offenbar nie um mich gekümmert hatte. Vater erklärte, dass es ja so war, dass sie extra so auftraten, sie machten nach außen hin einen in keiner Weise bösartigen Eindruck, bis man sich in Sicherheit wiegte und ihnen den Rücken zukehrte. Mehr als einer der Unsrigen hatte seine Gutgläubigkeit mit Stichwunden und Brüchen bitter bereuen müssen, das konnte Vater bezeugen.
Ich merkte mir alles gut, und Vater hörte mich noch einmal ab, damit ich auch nichts aus reiner Dummheit vergessen oder verwechseln würde. Er trank und war eine Weile wütend und brachte mich dazu, mit ihm zu murren, zu schnauben und gemeine Pläne zu schmieden. Er schlug mir eine Karriere in der Kommunalverwaltung vor, da man dort auf einer Machtposition verdammt viele Teufeleien aushecken konnte, und außerdem war es unmöglich, einen dort wegzukriegen, und durch raffinierte Tricks konnte man seine Angehörigen mit reinholen, bis es in der Gemeinde keinen Platz mehr für diese Meineidigen und Landdiebe gab.
Vater mischte sich keinen Punsch mehr, sondern trank jetzt direkt aus der Flasche. Dann ging er zu Informationen allgemei-neren Charakters über. Als bald ausgewachsener Arbeiter musste ich wissen, wer die Streikbrecher beim Streik 1931 und beim Flößerstreik bei Alanen Kihlankijoki 1933 gewesen waren, wer vor allem in Tärendö und Anttis, aber auch in Pajala selbst Nazi gewesen war, wer die Verräter im Zweiten Weltkrieg gewesen waren, unter ihnen mehrere, die sich immer noch Sozialdemokraten nannten und die ihre kommunistischen Arbeiterbrüder ins Konzentrationslager Storsien geschickt hatten, um dort erschossen zu werden, falls Hitler in Schweden einfallen würde. Ich erfuhr außerdem, wer später um Verzeihung gebeten hatte und wer nicht, und dass die Angehörigen Letzterer gern an diese Sache erinnert werden konnten, wenn sich die Gelegenheit bot.
Das war ein Gewimmel von Familien, die auseinander zu halten waren, und eine ganze Anzahl meiner Schulkameraden war darin verwickelt. Vater wollte, dass wir alles noch einmal durchgingen, was wir auch gewissenhaft taten. Dann fuhr er mit eher allgemeiner Arbeitergeschichte fort, so die Frage, warum besonders nachtragende Sozialisten heute noch die Zeitungen Haparandabladet und Norrbottenskuriren nicht anfassten, warum man im Konsum einkaufte und nicht bei ICA oder warum Zöllnern, Förstern, Volksschullehrern und Laestadianern immer noch mit Misstrauen begegnet wurde.
Dann kam er in die Abteilung Kuriosa und holte die Geschichte der Korpelabewegung heraus, zählte die Namen aller darin verwickelten Familien auf und berichtete unter lautem Lachen, wie sie auf eine Kristallarche warteten, die sie nach Palästina bringen sollte, sich gegenseitig die Fotzen und Arschlöcher einpinselten, schlimmer als in einer Waldarbeiterkoje hüpften und fluchten, und zu bumsen essen sagten, mit einem Rentiergeweih auf dem Schädel miteinander spielten und einander wie die Pferde ritten und wie sie Maische tranken, bis sie im Polizeiwagen die Hosen vollschissen, und überhaupt so viel
Spaß hatten, wie man es mit den geringen Mitteln spärlich besiedelter Gebiete nur haben kann.
Ich starrte ihn voller Verwunderung sprachlos an und
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