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Port Vila Blues

Port Vila Blues

Titel: Port Vila Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Disher
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können. Und seine Kleidung ließ sich, wenn nötig, schnell verändern: Er trug eine Wendejacke, in deren Innentasche eine Mütze steckte, und eine Sonnenbrille. Variierte man mit allen drei Faktoren, wäre das Äußere hinreichend verändert, um unbemerkt entkommen zu können.
    Das Café, das Devonshire-Teesorten anbot, lag am nördlichen Stadtrand und war durch eine Reihe von Gummi- und Farnbäumen und durch Adlerfarn von den anderen Geschäften getrennt. Wyatt parkte in einer Parkbucht vor einer Milchbar, betrat die Milchbar im Anschluss, kaufte ein Eis und verließ den Laden wieder. Er ging die Straße hinunter, weg vom Café, und schlenderte gemächlich vier Blocks weiter, nahm dabei winzige Mengen Eiskrem in den Mund, ließ sie langsam zergehen, um dieses Eis möglichst lange in der Hand zu behalten. Dann überquerte er die Straße und ging zurück, blieb mal am Schaufenster eines Kunstgewerbeladens stehen, mal vor einer Kindertagesstätte und vor einer Auslage mit New-Age-Kristallen und Selbsthilfebüchern. Die Kristalle und Bücher waren für Wyatt Dinge aus einer anderen Welt.
    Dieser Rundgang verlief ruhig, nach Methode, wurde mit der Wyatt eigenen verlässlichen, kühlen Kompetenz ausgeführt, die das Siegel aller seiner Jobs war. Er ließ nicht zu, dass die Anspannung einer Situation seine Nerven erreichte. Dabei kam ihm zu Hilfe, dass er genau das entdeckte, was zu entdecken er erwartet hatte: ein paar Touristen, einige ortsansässige Händler, Hausfrauen beim Einkauf, ein paar Typen vom Gartenbau in Land Rovern und hier und da ein angetörnter Alt-68er, wahrscheinlich aus einer Hütte irgendwo in den Hügeln. Wyatt zog jedem von ihnen die einfachen Glockenvögel mit ihrem metallischen Ruf vor.
    Jetzt hatte er auch ein klares Bild von dem Café. Im ersten Stock war ein Balkon mit aufgespannten Sonnenschirmen, allerdings beabsichtigte er nicht, sich dort oben hinzusetzen. Sein Treffen mit Liz Redding würde im Erdgeschoss stattfinden: Genug Türen, die nach draußen führten, und jede Menge Fenster, so dass, falls erforderlich, ein Abgang durch die Scheiben möglich wäre, wobei Wyatt Gesicht und Arme mit seiner Jacke schützen müsste. Zudem schien ein Kellergeschoss zu existieren; dann waren da noch eine rosenumrankte Laube, zwei schattige Veranden und geschützte Nischen mit grünlich verwitterten Latten. Diese Plätze würde er meiden, wie er jeden Platz mied, der den Eindruck vermittelte, eine Flucht nach vorn zu vereiteln und eine ernste Bedrohung von hinten zu ermöglichen.
    Nun war er, so gut es irgend ging, gewappnet. Blieb also nur die Verhandlung selbst. Wyatt hegte keinerlei Zweifel, was die Stärke seiner Position betraf: Er hatte die Tiffany-Brosche und Liz Redding wollte sie haben.
    Was aber wollte sie darüber hinaus? Er wollte Liz, was jedoch nicht bedeutete, dass er sich entsprechend verhielte. Er dachte nicht weiter darüber nach und beobachtete, wie ein Wagen auf den kleinen asphaltierten Platz vor dem Café fuhr. Drinnen saß Liz Redding.
    Sie stieg aus. Heute steckte ihre schlanke Gestalt in weiten Klamotten: bequeme Hosen, ein weißes T-Shirt in Übergröße, das bis zu den Knien reichte. Sie streifte den Riemen einer schwarzen Handtasche über die Schulter und eilte in das Café. Er folgte ihr und wusste, dass er sich in fünf Minuten weder sicherer noch unsicherer fühlen würde.

    EINUNDZWANZIG

    Baker trottete Ms. Goldman hinterher. Sie waren auf dem Weg zurück ins Büro, und kaum hatte Baker den unansehnlichen Plastiksessel vor den Schreibtisch geschoben, platzte es auch schon aus ihm heraus: »Haben Sie gehört, wie der mich genannt hat? Dumm, zu nichts nütze und arbeitsscheu.«
    Sie ließ sich Zeit mit einer Reaktion, seine aufgeschlagene Akte vor sich auf dem Schreibtisch. Das kannte er bereits. Sich Goldmans Aufmerksamkeit zu sichern hatte etwas von einem Wendemanöver auf See: Man musste viel Zeit und Geduld einplanen. Gut, sie war eine Pflichtverteidigerin, wurde vom Staat bezahlt, also hatte sein Fall keine Priorität. Hätte er jede Menge Kohle, würde sie seinetwegen ein Mordsspektakel veranstalten. Endlich riss sie ihren Blick von der Akte los. »Hmmm?«, meinte Goldman geistesabwesend und sah dabei mehr oder weniger an seinem rechten Ohr vorbei und nicht in seine Augen.
    »Zu nichts nütze«, wiederholte Baker. »Er hat gesagt, ich sei dumm und arbeitsscheu.«
    »Daran kann ich mich nicht erinnern.«
    »Das hat er gesagt. So was dürfte gar nicht gestattet sein.

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