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Port Vila Blues

Port Vila Blues

Titel: Port Vila Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Disher
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Mal mit fünfzehn und noch einmal mit sechzehn, sechs Monate auf Bewährung wegen Drogenbesitzes, eine Verurteilung zu gemeinnütziger Arbeit, weil Sie mit Einbruchswerkzeugen erwischt wurden ... wenn Sie so weitermachen, gehören Sie zur nächsten Frischfleischlieferung für Long Bay, Bathurst oder Goulburn.«
    Baker schoss das Blut ins Gesicht. »Leute wie Sie halten sich für wer weiß was.« Er wollte erklären, wie das für ihn gewesen war, aber er konnte es nicht in Worte fassen, da waren nur Bilder in seinem Kopf und heiße Scham und Wut, die ihm die Kehle zuschnürten. An Bakers fünftem Geburtstag hatte sein Vater angefangen, an ihm herumzufummeln. Und auch an seiner Zwillingsschwester. Mit elf waren die Alten mit ihnen nach Penang gefahren, angeblich in die Ferien, nur dass man sich dort nicht lange aufgehalten hatte, und auf dem Rückweg waren er und seine Schwester bestückt gewesen mit Kondomen voller H, die mit Klebeband an ihren Taillen befestigt waren, zwei kleine Engel, die bei den Zollbeamten keinen Verdacht erregen würden. Danach hatte es weitere Reisen gegeben, und eine Menge H hatte sich auf den Weg durch den Arm des Alten gemacht, und nicht nur durch seinen, sondern auch durch die seiner asozialen Kumpel, die ständig bei ihnen abhingen. Baker hielt sich für wesentlich älter und erfahrener als diese dahergelaufene Schlampe von Pflichtverteidigerin, die frisch von der juristischen Fakultät kam und nicht verstehen konnte, warum er sich an Dope und Alk verschwendete. Hätte Baker die passenden Worte gefunden, hätte er Goldman erklärt, dass eine verzerrt wahrgenommene Welt besser zu ertragen war als die reale, dass Dope und Alkohol den Bildern in seinem Kopf die Schärfe nahmen. Die Sekunden verstrichen. Er schluckte, holte tief Luft und klopfte sich auf die Brust. »Sie glauben, ich würde im Knast nicht klarkommen? Da sind Sie schief gewickelt, Lady.«
    Sie sah ihn gelassen an. »Klingt, als gefiele Ihnen diese Aussicht.«
    »Wenn ich ins Gefängnis wandere, Lady, dann aus einem Grund, der sich gewaschen hat, nicht wegen so einem mickrigen Angriff oder Diebstahl oder so.«
    Für einige Augenblicke musterten sie einander. Die Atmosphäre zwischen ihnen war jetzt weniger aufgeladen, so als hätte Baker sein und die Pflichtverteidigerin ihr Argument platziert, mit einem Patt und etwas gegenseitigem Respekt als Ergebnis.
    Die Goldman reagierte zuerst. »Okay, Terry, wir versuchen aus dem, was wir haben, das Beste herauszuholen. Ihr Fall ist um 14 Uhr dran. Seien Sie pünktlich, gehen Sie nicht weg. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, ich habe heute Morgen noch ein Dutzend Leute zu beraten.«
    Baker stand auf. Eine abrupte Aktion, durch die der Sessel nach hinten kippte und umfiel. Baker war das peinlich, es hatte nicht in seiner Absicht gelegen, dennoch hätte man es als Ausdruck von Aggression oder Frustration missdeuten können. Er richtete den Sessel wieder auf — jede seiner Bewegungen vorsichtig und beherrscht — und sah nur einen Weg, die Situation zu retten. Er streckte die Hand aus. »Danke. Bin Ihnen sehr verbunden.«
    Die Pflichtverteidigerin war mit den Papieren auf ihrem Schreibtisch beschäftigt und bemerkte seine Hand nicht. Er brachte sie dazu, ihn zu beachten, indem er sich weit über den Schreibtisch beugte und seine Hand in Höhe ihrer Brust schwenkte. »Mrs. Goldman? Ich möchte mich nur bedanken.«
    Sie zwinkerte. »Ms. nicht Mrs.« Dann schüttelten sie sich die Hände; ihre Hand war klein, trocken, zupackend und mit einem Mal hatte Baker das Gefühl, dass der Tag eine Wendung zum Besseren nehmen könne.
    Er ging den Flur hinunter, vorbei an anderen Pflichtverteidigern in anderen Büros, und betrat den Warteraum. Nirgends ein Sitzplatz. Dafür umso mehr bockige Kinder, dicke Frauen, denen plötzlich die Hand ausrutschte, Junkies, die ihre Nägel bis zum Nagelbett abkauten, verdatterte Eltern, jugendliche Autoknacker und Einbrecher, die in James-Dean-Pose an den Wänden lehnten. Baker blickte sich angewidert um. Verhaltensauffälligkeiten, gesundheitliche Einschränkungen und Behinderungen, Tränen, Ureinwohner in Sonntagsanzügen, ganz zu schweigen von den Uniformen, Cops und Wachleuten.
    Zu viel für Baker. Er sah auf seine Uhr. Fast Mittag. Zeit, sich schnell ein paar hinter die Binde zu kippen.
    Im Pub gegenüber gab es Castlemaine vom Fass. Baker nahm ein großes Bier und einen Wodka zum Nachspülen, noch ein großes Bier und noch einen Wodka zum Nachspülen. Er

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