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Port Vila Blues

Port Vila Blues

Titel: Port Vila Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Disher
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Ferne vor Augen, die zunehmend klarer hervortraten, ging Wyatt in Ringwood wegen einer Fahrbahnverengung vom Gas und sann darüber nach, wie undurchsichtig der Tiffany-Deal geworden war. Hätte es sich bei Liz Redding einfach nur um eine Hehlerin gehandelt, wäre seine Wachsamkeit reine Routine gewesen, schließlich musste man in diesem Fall nur einem Punkte Rechnung tragen, und zwar dem, übervorteilt zu werden: Man selbst konnte das Zeug nicht losschlagen, das konnten nur Hehler, also war man auf sie angewiesen, wohl wissend, dass sie einen immer mit ein paar Prozenten übers Ohr hauten. Zumindest jedoch war eines klar: Weder man selbst noch der Hehler hatte Interesse, dass die Polizei Wind von allem bekam.
    Doch diese Gewissheit war dahin, wenn man es mit jemandem zu tun bekam, der sich auf dem schlüpfrigen Boden zwischen Versicherungsgesellschaften auf der einen und professionellen Kriminellen wie Wyatt auf der anderen Seite bewegte. Nach außen gaben sich Versicherungsgesellschaften gesetzestreu. Wyatts einziger Vorteil war ihr sprichwörtlicher Widerwille, im Schadensfall die volle Versicherungssumme herauszurücken. Lieber zahlten sie ein paar tausend Dollar, um die Tiffany-Brosche, auf welchem Wege auch immer, unbeschädigt zurückzubekommen, als den tatsächlichen Wert abdrücken zu müssen — was nicht hieß, dass sie nicht mit der Polizei kooperierten, wenn es ihnen in den Kram passte.
    Vor diesem Hintergrund tat Wyatt alles, um die Situation zu seinem Vorteil zu beeinflussen. Monatelang war er unbewaffnet gewesen — zu viel Metall, zu viele Metalldetektoren an den Flughäfen, zudem hatten Jardines Coups keine Waffen erforderlich gemacht. Doch heute steckte Jardines noch unbenutzte .32er Automatik hinten in Wyatts Hosenbund. Nicht unbedingt seine Favoritin unter den Handfeuerwaffen, aber sie täte ihren Dienst, wenn es zu einem plötzlichen Schusswechsel aus kurzer Distanz käme.
    Nächster Punkt war der Ort der Übergabe. Wäre mehr Zeit zur Verfügung gewesen, hätte er es mit einem Käufer oder Hehler zu tun gehabt, hätte er darauf bestanden, das Treffen in die Stahlkammer einer Bank zu verlegen. Sowohl er als auch der Käufer hätten über ein Schrankfach verfügt. Wyatt hätte die Tiffany-Brosche bei sich gehabt, der Kunde Waage, Pinzette, Lupe und das Bargeld. Man hätte den Handel in Abgeschiedenheit zum Abschluss gebracht und keiner von beiden wäre versucht gewesen, den anderen aufs Kreuz zu legen, nicht angesichts der Wachleute, Kameras, Zeugen und Stahltüren in der unmittelbaren Umgebung.
    Aber Zeit hatte eben nicht zur Verfügung gestanden und Liz Redding war auch kein gewöhnlicher Käufer oder Hehler, also hatte Wyatt ein Café in der Nähe von Emerald vorgeschlagen. Es kostete ihn mehr als eine Stunde, um dorthin zu gelangen, aber die Hügel boten jede Menge Fluchtwege und Schlupflöcher. Man konnte über eine der Nebenstraßen entkommen, sich in einer Wochenendhütte verstecken oder auf einen Baum klettern und dort einige Stunden hocken bleiben. Aus der Luft wäre er schwer zu verfolgen, ebenso in der dichten Vegetation am Boden.
    Er ging die einzelnen Fluchtszenarios in Gedanken durch. Sollte er gleich in eine Falle tappen, würde er sich sofort absetzen, und zwar so weit weg wie möglich, vorausgesetzt, er hätte das Heft in der Hand. Wenn nicht, bliebe ihm nichts anderes übrig, als in Emerald oder in der Umgegend so lange unterzutauchen, bis die Gefahr vorüber war. Er war davon überzeugt, das Vorgehen der Cops voraussagen zu können. Zuerst würden sie Straßensperren errichten. Ginge er ihnen nicht ins Netz, würden sie den Kreis um Emerald immer enger ziehen. So viel war sicher: Gelänge es ihm, im ersten Durcheinander abzuhauen, könnte er sich ein Versteck suchen, von wo aus er die Straßensperren beobachten konnte. Zögen die Cops dann den Kreis enger, wäre die Zeit gekommen, endgültig die Flucht anzutreten.
    Mal angenommen, das Café selbst stünde nicht unter Beobachtung, so könnte es dennoch drinnen nur so wimmeln von Cops; Cops, die sich als Kunden, Bedienung, Kassierer oder Köche ausgaben.
    Schließlich und endlich war Wyatt auch vorbereitet, was seine Person anbelangte, indem er genau das getan hatte, was er immer im Vorfeld eines Coups tat. Er hatte zurückhaltend gefrühstückt, genug, um Energie zu tanken, zu wenig, um träge zu werden. In seiner Tasche befanden sich ein Fahrplan für die Bahn und genug Bares, um sich eventuell aus einer Klemme freikaufen zu

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