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Port Vila Blues

Port Vila Blues

Titel: Port Vila Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Disher
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Schublade aufzog und eine kleine Handsäge mit rostigem Sägeblatt entdeckte, deren Griff von schwarzem Isolierband zusammengehalten wurde. Sie räumte eine Feile und ein Päckchen mit Nägeln beiseite, stellte die Säge aufrecht, so dass die Zähne nach außen zeigten, und stieß die Schublade zu, bis die Säge eingeklemmt war. Nun bewegte sie ihre Arme, damit die Nylonfessel über das Sägeblatt schrammte. Als die Fessel endlich durchgesägt war, fiel das Bettgestell mit einem Scheppern zu Boden.
    Liz massierte ihre geschundenen Handgelenke, verscheuchte einen Anflug von Reue und ein Gefühl von Erniedrigung und machte sich sofort daran, ihre Sachen zusammenzusuchen. Wyatt hatte beide Waffen dagelassen, also auch den kleinen Revolver, den er in ihrer Hose gefunden hatte. Es war ein .22er Colt Cobra. Sie steckte ihn in ihre Handtasche. Die andere Waffe musste sie loswerden, jetzt, da man sie mit der Schießerei in Verbindung bringen konnte — oder zumindest so lange verstecken, bis klar war, um wen es sich bei dem Toten gehandelt und in wessen Auftrag er agiert hatte, und bis sie ihren Teil an der Geschichte geregelt hatte. Liz wusch sich Hände und Unterarme, auch um Schmauchspuren zu vernichten, die mit einem Paraffintest hätten nachgewiesen werden können.
    Hinter dem Gebäude ragte ein Heizöltank aus dem Unkraut. Sie hob den Deckel an, ließ die Waffe hineinfallen und hörte ein Klatschen, als die Waffe am Boden im Schlamm landete.
    Kurz danach stand Liz auf der Hauptstraße und hielt einen Bus an. In Belgrave erwischte sie einen Zug, einen Express in die Stadt. Eigentlich hätte sie ins Präsidium gehen und Bericht erstatten müssen, stattdessen ging sie nach Hause und machte sich einen Drink. Ihr war nach Rebellion und stolzem Lamento. Sie ging ihre CDs durch, Chieftains, Sinead O’Connor, Dubliners, schließlich entschied sie sich für Clannad. Sie hatte den internen Ermittlern und ihrem Boss einiges zu erklären, doch solange sie nicht wusste, wem sie trauen konnte, würde sie die Dienstvorschrift schlichtweg umgehen.
    Wieder einmal fragte sich Liz, wie sehr der Job sie verändert habe, was sie alles habe aufgeben müssen. Undercover zu arbeiten bedeutete, sich manchmal in Erinnerung rufen zu müssen, dass man immer noch ein Cop war. Sie betrat kaum noch das Präsidium in der Elizabeth Street und wenn, dann über einen unterirdischen Gang, den man von einem Gebäude um die Ecke erreichte. Sie pflegte andere Cops in Pubs, Parks oder Restaurants zu treffen. Die übrige Zeit gab sie die Drogendealerin, die Hehlerin oder das Strichmädchen. Es war ein zermürbendes Doppelleben, das seinen Tribut forderte. Einige Elemente in der Behörde hegten einen Groll gegen sie, und nach akribischer Einarbeitung traute man ihr lediglich den Außendienst zu. Sie traf auf Cops, die sie nicht mochten, weil sie jung und weiblich war, weil sie Resultate und einen akademischen Grad vorzuweisen hatte, und sie traf auf Kriminelle, die, wenn sie wüssten, wie sie ihren Lebensunterhalt verdiente, ihr die Pest an den Hals wünschen würden. Der Dienstausweis im Schuh hatte sich bereits bei zwei gründlich missglückten Drogendeals als lebensrettend erwiesen; sie hatte ihn gezückt und harte Kerle hatten ihre Waffen weggesteckt und es vorgezogen abzuhauen, statt einen Cop zu töten; was jedoch nicht hieß, dass es draußen keine harten Kerle gab, die viel zu verlieren hatten oder auf Rache sannen oder einfach Cops hassten, und zwar alles in einem Umfang, dass ein Dienstausweis der Polizei sie nicht hindern würde.
    Liz fühlte, wie der Scotch die Anspannung wegbrannte. Zumindest gab es beim Raubdezernat ein gewisses Maß an Sicherheit, das bei der Drogenfahndung nicht gewährleistet war. Es waren nicht die Cops, die im Kreise der Drogendealer und ihrer Kunden gefürchtet waren, diese Leute fürchteten vielmehr, beraubt zu werden, und waren deshalb stets bewaffnet. Es waren fahrige, unstete Menschen, mit denen man es zu tun bekam, und die Arbeitstage zogen sich in die Länge. Oft hatte sie bis zu achtzehn Stunden gearbeitet, von vier Uhr nachmittags bis vier Uhr morgens, hatte einen Deal arrangiert, eine Festnahme vorgenommen und anschließend bis zehn Uhr morgens den Papierkram erledigt.
    Nicht, dass Raub und Diebstahl in dieser Stadt nichts mit Drogen zu tun gehabt hätten. Heutzutage nahm jegliches Verbrechen seinen Anfang bei Drogen oder fand dort sein Ende. Der Abschaum der Straße stahl Fernsehgeräte, um Drogen zu kaufen. Der

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