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Port Vila Blues

Port Vila Blues

Titel: Port Vila Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Disher
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kommen sehen. Merkwürdig war nur, dass sie ihn nicht hatte hineingehen sehen. Sie hatte sich verabschiedet und war hinübergeeilt.
    »Ich habe meinen Bruder tot aufgefunden«, sagte sie. »Schlaganfall. In seinem Gesicht stand die nackte Angst, das können Sie sich nicht vorstellen. Egal, was die Leute auch sagen, er hat sich buchstäblich zu Tode geängstigt.«
    Liz war geneigt, ihr zu glauben. Sie bat um eine Beschreibung des Mannes.
    »Ziemlich groß, gepflegt, trug einen Anzug, hatte so ein Lächeln im Gesicht.«
    »Nicht Wyatt«, murmelte Liz vor sich hin.
    Jardines Schwester schluchzte auf. »Letzten Endes war es doch Wyatt«, sagte sie und schlug die Tür zu.
    Nächste Station: Polizeipräsidium.

    SECHSUNDZWANZIG

    Überzeugt davon, dass selbst ein vertrauter Freund, ein Kind oder eine Nonne ihm schaden könnten, hatte sich Wyatt als Erstes auf den Weg zu Frank Jardine gemacht. Hätte es sich herausgestellt, dass Jardine den Killer in das Café beordert hatte, wäre Wyatt bereit gewesen, Jardine zu töten.
    Aber Jardine hatte damit nichts zu tun. Stattdessen traf Wyatt auf eine trauernde, wütende Nettie, die von einem Besucher erzählte, von einem Fremden, der Jardine buchstäblich zu Tode erschreckt habe. Um denjenigen zu finden, der hinter allem steckte, blieb Wyatt nichts anderes übrig, als die Spur der Brosche zurückzuverfolgen und abzuwarten, welche Namen dabei ins Spiel kämen. Er spürte eine Anwandlung von Trauer, hatte Gewissensbisse und gab Nettie die fünfundzwanzigtausend Dollar. Anschließend flog er nach Sydney.
    Weil er sich vorstellen konnte, dass eine nach dem Einbruch aufgeschreckte Cassandra Wintergreen die Sicherheitsvorkehrungen in ihrem Haus verstärkt hatte, nahm er sich die Frau nicht dort vor. Er bediente sich einer Information Jardines und suchte ihr Wahlbüro auf, ein Ladengeschäft zu ebener Erde im Innern eines Gebäudes, auf dessen Schaufensterscheibe fette, im Halbkreis angebrachte Lettern den Schriftzug Cassandra Wintergreen, Abgeordnete für Brighton bildeten. Das Wahlbüro und der zweite Laden im Erdgeschoss, ein Radio-Shack-Outlet-Store, waren durch das Foyer voneinander getrennt.
    Er wartete bis zum späten Nachmittag, betrat das Gebäude und studierte die Liste der Mieter: fünf Stockwerke mit Wirtschaftsprüfern, Zahnärzten, Osteopathen und Firmen mit Namen wie Allied Exports Inc.
    Er sah auf seine Armbanduhr: 17.45 Uhr. Laut Jardines Notizen würde der Nachtwächter die Schiebetüren des Eingangs um halb sieben verschließen. Wintergreen arbeitete immer bis spät in den Abend und verfügte über einen eigenen Schlüssel — ledigliche kleine Details, doch Wyatt und Jardine hatten ihre Coups immer auf einer Ansammlung kleiner Details aufgebaut. Wyatt ging hinüber zum Treppenhaus, stieg hinauf zum vierten Stock, fand eine Herrentoilette und stellte sich darauf ein, zu warten.
    Erst kam die Vorarbeit, dann das Warten — Letzteres für Wyatt eine Art Selbsthypnose, in deren Verlauf seine Sinne nur für Grundsätzliches empfänglich waren: absehbare Gefahren, noch offene Fragen, die Variablen und die Arbeit, die vor ihm lag. Er verstand es, einen Teil von sich abzukoppeln, während der andere angespannt und konzentriert blieb. Er wusste, wie er sich hinsetzen musste, wie er die Glieder entspannen und gleichzeitig seinen Verstand hinreichend beschäftigten konnte, um nicht abzudriften.
    Momentan schützte ihn allein schon sein Zahn davor, einzuschlafen. Wyatt hatte Schmerztabletten geschluckt und noch etliche in der Tasche. Glaubte man dem Apotheker am Flughafen, machten sie nicht schläfrig, falls doch, hatte Wyatt prophylaktisch eine herzförmige 5er Benzedrin eingeworfen. Zwar fühlte er sich jetzt etwas aufgeputscht, aber das war immerhin besser als der stechende Schmerz, den die Zahnruine aussandte.
    Um viertel vor sieben unterbrach Wyatt die Stromversorgung für das Erdgeschoss, verschaffte sich durch die Hintertür Eintritt in Cassandra Wintergreens Wahlbüro und ging direkt in ihr persönliches Büro. Wintergreen, die gerade dabei war, die Glühbirne ihrer Schreibtischlampe herauszudrehen, blickte hoch, erschrak und öffnete den Mund, als wolle sie jeden Moment losschreien.
    Wyatt presste ihr seine harte, trockene Handfläche auf den Mund. »Ich werde Ihnen nichts tun. Ich will nur Informationen«, sagte er leise, ließ sie dabei nicht aus den Augen, bis etwas an ihm sie überzeugte. Sie nickte und entspannte sich merklich.
    Er zog seine Hand

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