Port Vila Blues
Süchtige aus dem Mittelstand beging Betrug, um seine Abhängigkeit finanzieren oder seine Schulden bezahlen zu können. Einkünfte aus bewaffneten Raubüberfällen, illegalem Autohandel und Kunstdiebstählen wurden dazu benutzt, sich in Drogenkartelle einzukaufen. Und die Einsätze waren so hoch, die Gewinne so gewaltig, die Wirkung von Drogen an sich war derart destabilisierend, dass Kriminelle bösartiger und unberechenbarer waren denn je.
Liz Redding nippte an ihrem Scotch und dachte an Wyatt und Jardine. Sie waren Repräsentanten einer früheren, einer Epoche mit mehr Fairness und wurden immer schneller zum Auslaufmodell. Jardines angeschlagene Gesundheit, Wyatts schlitzohriges Grinsen, sein Drängen auf der schmuddeligen Matratze — sie fühlte eine ambivalente Achtung für beide, ihnen fühlte sie sich näher als ihren Kollegen oder ihrem zweifelhaften Doppelleben. Sie hatte kein Interesse daran, dass man beide schnappte oder verletzte. Sie hatte nur Interesse daran gehabt, der Spur der Tiffany-Brosche zu folgen, bis sie sie zur Magnetbohrerbande geführt hätte.
Sie war überzeugt, bei der Lösung ihrer jüngsten Aufgabe ihr Bestes gegeben zu haben. Springett hatte Crashkurse für sie arrangiert, in denen sie alles über Juwelenhehlerei, Gewicht, Wert und Herkunft von Edelsteinen und Edelmetallen lernen konnte, und er hatte ihr gesagt, sie solle Pfandhäuser aufsuchen, aber auch einschlägige Pubs und Clubs, um zu sehen, wer die Großkotze waren, wer Geld, Autos und teure Garderobe zur Schau stellte, wer den Partylöwen spielte. Eingebracht hatte es ihr ein paar Festnahmen untergeordneter Bedeutung, bis endlich das Gerücht zu ihr durchgedrungen war, dass Frank Jardine, dieser arme kranke Kerl, derjenige sei, welcher.
Liz kam in den Sinn, dass sie in puncto Wyatt und Jardine möglicherweise einen schweren Fehler beging. Hüten Sie sich vor Romantisierung, wenn es um diese Mistkerle geht; wie oft war ihr das bei Lagebesprechungen eingebläut worden. Durchaus möglich, dass Wyatt Jardine gelinkt und dass Jardine ihm einen Killer auf den Hals gehetzt hatte. Oder dass Jardine ihre wahre Identität herausgefunden und einen Killer beauftragt hatte, um Wyatt und sie auszuschalten, in den Besitz der Brosche zu kommen und das Geld zu kassieren.
Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Drei Uhr. Der Nachmittag war noch jung.
Diesmal fuhr sie mit dem eigenen Wagen. Zuerst suchte sie Pardoe auf, ihren Kontaktmann bei der Versicherungsgesellschaft. Er war sehr angetan, das Tiffany-Schmuckstück zurückzubekommen, lächelte sie aufmerksam über den Schreibtisch hinweg an, ein farbloser, dünner Typ mit roten Lippen und mit Händen, die er vorzugsweise faltete, um das Kinn darauf zu stützen.
»Wir sind überaus erfreut. Aber es stellt sich immer noch die Frage, ob die Gang Informationen aus dem Kreise unserer Angestellten bekommt. Ist es Ihnen gelungen, diesbezüglich etwas zu ermitteln?«
Liz erwiderte das Lächeln nicht. Sie war angespannt und misstraute jedem. »Ihre Leute sind sauber. Ob nun hier bei Ihnen oder draußen, alle kennen mich als Hehlerin, der man vertrauen kann, also wäre mir längst etwas zu Ohren gekommen. Abgesehen davon, die Asahi-Sammlung war nicht bei Ihnen versichert.«
Pardoe nickte ernst. »Glücklicherweise. Die Stücke wird man nie wiedersehen. Also wer? Verstehen Sie mich richtig, Polizeiinterna interessieren mich nicht. Ich bin einfach nur neugierig.«
Mit undurchdringlicher Miene stand Liz auf, um sich zu verabschieden. »Wir arbeiten noch daran.«
Sie verließ das Gebäude. Wie den Akten zu entnehmen gewesen war, hatte schon in den Siebzigern eine Bande in Victoria ihr Unwesen getrieben, die ebenfalls unter Einsatz eines Magnetbohrers Bürosafes geknackt und Banken, Juweliere und Kreditgenossenschaften ausgeraubt hatte. Diese Männer hatten inzwischen zwanzig Jahre mehr auf dem Buckel. Vielleicht waren sie wieder aktiv. Vielleicht hatten sie ihr Wissen auch an eine jüngere Gruppe weitergegeben. Jedenfalls basierten ihre Informationen auf Insiderwissen über Wertbestände, Alarmanlagen und Sicherheitsmängel bei einer Reihe von Unternehmen.
Ihr zweiter Besuch galt Jardines Haus in Coburg. Die dünne, verhärmte Schwester öffnete verängstigt die Tür und erklärte Liz, dass sie zu spät komme. Vorhin sei ein kaltblütiger Typ aufgetaucht. Die Schwester hatte einen Besuch im Haus gegenüber gemacht, im Zimmer zur Straße gesessen, Tee getrunken und den Mann aus ihrem Haus
Weitere Kostenlose Bücher