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Port Vila Blues

Port Vila Blues

Titel: Port Vila Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Disher
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aus und verfolgte De Lisle zu Fuß. Wenigstens hatte der nichts bei sich, wollte also auch nicht über alle Berge mit ihrer Beute.
    De Lisles Ziel war ein Laden, der sich Ma Kincaid’s nannte. Niekirk hatte gegenüber Posten bezogen, unter einem Cinzano-Sonnenschirm, das Gesicht leidlich verdeckt durch ein beschlagenes Glas mit Eiscafé und dem Strohhalm, der darin steckte, als Wyatt aus einer schmalen Seitenstraße hinter dem Ma Kincaid’s auftauchte. Sein Mund stand offen und die Zunge war offensichtlich gerade dabei, den hinteren Teil der Mundhöhle zu erkunden; er hatte eine Papiertüte unter dem Arm und schien über irgendetwas erfreut zu sein.
    Niekirk wiederum erfreute das alles nicht im Geringsten.

ACHTUNDDREIßIG

    Wyatt sollte nichts mitbekommen, bis es schließlich zu spät war. Während die Sonne allmählich hinter dem Berg verschwand, saß er auf dem schmalen Balkon, beobachtete das Haus auf den Klippen gegenüber und wartete, dass die Dunkelheit hereinbrach, damit er sich zur Hauptinsel aufmachen und bei De Lisle einsteigen konnte; hinter ihm, im Zimmer, rotierte der Ventilator und hier draußen brummte der Inselgenerator, verfing sich der Wind mit einem Rascheln in den Palmwedeln, sandte eine Band dumpfe Bässe aus dem nahe gelegenen Speisesaal herüber, mühten sich Männer und Frauen den steilen Pfad von der Fähre hoch, Geistergestalten mit weißen Zähnen und in weißer Garderobe, eingehüllt in Duty-free-Düfte. Ab und an verirrte sich seine Zunge zu der Lücke im Kiefer. Groß, wund und salzig; ein dumpfer Schmerz, der allmählich nachließ — eine ungeheure Erleichterung. Mithin war jeder seiner Sinne beschäftigt und er auf eine Attacke von hinten so gar nicht vorbereitet.
    Bis er das kalte, geölte Ritsch-Ritsch hörte, den Schlitten einer Automatik, der ein Geschoss in das Patronenlager pumpte. Die Stimme kam aus dem Zimmer; aus der unmittelbaren Nähe der offenen Schiebetür, wie Wyatt analysierte. Er stemmte die Arme auf den Rattansessel.
    »Nee, nee. Schön die Arme um den Körper schlingen, so als ob Ihnen kalt wäre. Genau so. Jetzt aufstehen, umdrehen, kommen Sie hierher, ins Zimmer, schön langsam, wir haben alle Zeit der Welt.«
    Wyatt versuchte, die Stimme zu lokalisieren. Sie entfernte sich nach hinten und sie klang überheblich, sicher, erfahren, zudem verschwendete der Mann keinen Atem.
    Als er hinaus auf den Balkon gegangen war, hatte Wyatt auf Licht im Zimmer verzichtet, und so war der Raum jetzt dunkel bis auf den schwachen Lichtschein der LED-Anzeige der Uhr im Betthaupt, die jetzt 20:05 anzeigte. Und dieser Lichtschein hob das Gesicht des Mannes schwach hervor, ein Zusammenspiel aus fahlen Wangen, Augenhöhlen und prägnanten Knochen. Die dunkle Silhouette der Pistole bewegte sich. »Aufs Bett. Jetzt beide Kissen auf den Boden legen — ich sagte legen, nicht werfen.«
    Eine Pause entstand, als der Mann sich davon überzeugte, dass Wyatt keine Waffe unter den Kissen versteckt hatte. »Jetzt legen Sie sich aufs Bett, flach auf den Rücken, den Kopf ans Kopfende, die Hände hinter dem Kopf verschränkt.«
    Wyatt fügte sich. Er würde nicht lange in dieser Position verharren können. Schon bald würden seine Arme anfangen zu schmerzen, soviel war klar. Zu starr, zu unnatürlich lag er da, und hätte er die Absicht, in die Offensive zu gehen, würde sein Körper ihn sofort verraten, und genau damit rechnete der Mann.
    »In welcher Beziehung stehen Sie zu De Lisle?«
    »In gar keiner. Ich hab ihn nie kennen gelernt.«
    »Sie haben Sachen für ihn verkauft.«
    »Nein.«
    »In Melbourne sind Sie mit Frank Jardine und einer Hehlerin fotografiert worden. Sie haben versucht, eine Tiffany-Brosche für De Lisle zu versilbern.«
    »Nicht für De Lisle. Ich wollte sie verkaufen.«
    Als Wyatts Augen sich mehr und mehr an die Dunkelheit gewöhnten, erkannte er eine sportliche Figur, wirres, dickes Haar von undefinierbarer Farbe und kalte Augen in einem kalten Gesicht, dessen Furchen an Risse in frischem Zement erinnerten. War das der Mann, der Jardine zu Tode erschreckt hatte? Er stellte sich vor, wie der Mann mit Jardine spielte, indem er den Blick seiner dunklen Augen auf dem Freund ruhen ließ, ein Blick, der unergründlich und nicht zu ertragen gewesen sein musste.
    »Ich habe das Schmuckstück gestohlen«, sagte Wyatt. »Später habe ich herausgefunden, dass ich es jemandem gestohlen habe, der mit De Lisle bumst.«
    Eine Sprache, die — so hoffte er — bei dem Kerl ankäme. Die

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