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Port Vila Blues

Port Vila Blues

Titel: Port Vila Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Disher
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Springett? Bereits auf der Insel? Kam er mit einer späteren Maschine, mit einer anderen Airline?
    Niekirk folgte Wyatt zu dem Haus auf den Klippen, in einem Taxi und in sicherem Abstand. Er sah, wie Wyatt ausstieg und sich ganz nebenbei nach Kameras und Sensoren umsah. Später folgte er Wyatt zum Anlegeplatz der Inselfähre nach Reriki.
    Niekirk erinnerte sich, dass in der ersten Klasse nur wenige Passagiere gesessen hatten, als er in Sydney an Bord gegangen war, und der Mann war unter ihnen gewesen. Das Überwachungsfoto hatte den Kopf des Mannes gezeigt, den er, angeregt durch die Gesellschaft der Frau, leicht zur Seite geneigt hatte, den Kopf und die Schultern, mehr nicht. Jetzt bekam Niekirk ein vollständigeres Bild: ein asketisches Gesicht ohne Gefühlsregung, schwarze Haare, gleichgültig aus der Stirn gekämmt, von großer, schlanker Statur, geschmeidig, hatte die Angewohnheit, alle paar Minuten seine Wange zu berühren, lange Hosen, Schuhe, ein langärmeliges Hemd, die Manschetten aufgekrempelt. Der Junge besaß offensichtlich wenig Gespür für tropentaugliche Kleidung. Niekirk selbst trug gelbe Shorts, Sandalen und ein T-Shirt mit dem Aufdruck ›Life’s a bitch, then you die‹, um sich so wenig wie möglich von den australischen Proleten abzuheben, die Asien und den Pazifik heimsuchten.
    Doch Niekirk konnte nicht zwei Orte gleichzeitig im Auge behalten und hergekommen war er De Lisles wegen, also fuhr er zurück zu dem Haus auf den Klippen und schlief die ganze Nacht ziemlich unruhig auf dem Beifahrersitz seines Mietwagens. Er hatte sich eine Geschichte zurechtgelegt für den Fall, dass jemand neugierig wurde. Doch es kam niemand.
    Gegen fünf Uhr dreißig am Morgen weckte ihn das Geknatter der ersten Dieselfahrzeuge. Er fuhr auf die andere Straßenseite. Das Haus machte noch immer diesen unbewohnten Eindruck; die Yacht hatte noch nicht angelegt.
    Niekirk fuhr hinunter zum Kai, kaufte Kaffee und Sandwiches und kehrte zu seinem Beobachtungsposten zurück. Er fragte sich, was bei Riggs und Mansell wohl gerade los sei. Vielleicht hatten sie sich inzwischen gegenseitig erschossen. Als sie erfahren hatten, was De Lisle vorhatte und dass es jetzt aus sei mit den Jobs, hatte sich Riggs sehr ruhig verhalten, gefährlich ruhig, und Mansell war aufgebraust. Keiner hatte Bereitschaft gezeigt, die Sache aufzugeben. »Nicht, wenn’s so gut für uns läuft«, hatte Mansell gesagt. Niekirk fiel dabei nur der Vergleich mit der Trauer ein; als wäre ihnen ein naher Angehöriger entrissen worden, und bevor sie mit ihrer Trauer abschließen konnten, brauchten sie noch einmal das Gefühl von Nähe. Er hatte ihnen die Adresse von De Lisles Haus in den Hügeln hinter Coffs Harbour gegeben, hatte gemeint, sie könnten dort sicher das eine oder andere von Wert mitgehen lassen, und er hatte ihnen gesagt, sie sollten sich De Lisle vornehmen, sollte er dort zufällig auftauchen.
    Um drei Uhr am Nachmittag beobachtete Niekirk, wie die Jalousien hochgezogen wurden. Er ging über die Straße und suchte nach einer Stelle, von wo man zwischen den Häusern hindurch hinunter aufs Wasser sehen konnte. Die Yacht lag dort vor Anker. Während er noch linste, fuhr ein Wassertaxi heran und De Lisle stieg ein. Niekirk sah, wie es zwischen den vertäuten Yachten dahinglitt und schließlich am Kai von Reriki Island anlegte. In Niekirk wuchs die Überzeugung, dass Wyatt hier war, um De Lisle zu treffen. Wyatt und Jardine hatten die ganze Zeit im Auftrag von De Lisle Teile der Beute verkauft. Jetzt hieß es für Niekirk zittern, und er entspannte sich erst, als er das Wassertaxi zurückkommen sah, mit De Lisle, der am Heck stand. Als De Lisle ausstieg, hatte er den karierten Koffer bei sich. Also war die Insel der Ort der Übergabe.
    Niekirk ging zurück zu seinem Wagen. Vielleicht hatte man auch Wyatt übers Ohr gehauen und er war hier, um eine Rechnung zu begleichen. Eine Stunde lang saß Niekirk da, klebte schier fest am Plastikbezug seines Sitzes, schmorte in seinem Kokon aus Glas und Metall. Als De Lisle am späten Nachmittag wieder auf der Bildfläche erschien und diesmal zu Fuß ging, war Niekirk immer noch da.
    Die ganze Geschichte wurde ihm langsam verhasst. Wenn er De Lisle zu Fuß beschattete, riskierte er, den kleinen Scheißer zu verlieren, sollte der irgendwann in ein Fahrzeug steigen. Wenn er mit dem Wagen dranbliebe, hätte er in diesen engen Straßen den Stress mit dem Verkehr und der Parkplatzsuche. Schließlich stieg er doch

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