Porterville - Mystery-Serie: Edition I (Folgen 1-6)
schluchzen beginnt, ihr ganzer Körper zittert, berühre ich kurz ihr Haar und warte, dass sie mich wieder loslässt.
Sie weicht endlich zurück und fragt: „Was sollen wir hier?“
„Keine Ahnung“, erwidere ich. „Ich hoffe nur, dass wir nicht mit Männern zusammenarbeiten müssen.“
Debra sieht mich irritiert an, sagt aber nichts.
„Warum bist du hier?“, frage ich.
Sie zuckt mit den Schultern.
„Hat es mit dem Tod von Mrs. Perot zu tun?“
Debra setzt sich auf die Bank an der Wand, lässt den Kopf auf die Brust sinken und verharrt in dieser Stellung. „Sie ist nicht von einem Stein erschlagen worden.“
„Sondern?“, frage ich.
Sie schüttelt ihren Kopf. Ihre Haare verdecken das Gesicht wie ein Vorhang. „Mehr sage ich nicht. Sonst ...“, sie schaut abrupt auf und sieht sich um, als wären wir nicht allein, „komme ich hier nie mehr raus.“
Ich weiß nicht, ob ich ihr glauben soll. Debra neigte schon immer zu Hysterie und Übertreibungen.
„Wir sollten uns jetzt besser umziehen“, schlage ich vor. Ich öffne einen der Metallschränke. Unsere Arbeitskleidung besteht komplett aus einem grauen gummiartigen Material. Stiefel mit Profilsohlen, Hose, lange Jacke mit hohem Kragen und Handschuhe.
Beim Anziehen quietscht das Zeug und legt sich sofort eng an die Haut an.
„Wir sehen idiotisch aus“, stellt Debra fest, als wir fertig sind. Ich muss ihr recht geben. Debra erinnert mich jetzt entfernt an einen übergroßen Greybug.
Die Tür öffnet sich. Die namenlose Frau im Kittel mustert uns gelangweilt und sagt: „Heute werdet ihr nur Dreck wegwischen. In ein paar Tagen könnt ihr vielleicht auch schon hier und da schneiden. Allerdings nur an bereits verödeten Stellen. Das hängt davon ab, wie schnell ihr alles kapiert.“
Ich überlege, ob ich eine weitere Frage riskieren soll, als der Boden erzittert.
„Ein Erdbeben!“, kreischt Debra.
Die Frau schüttelt den Kopf und sieht mit einem Mal zornig aus.
Ein heller durchdringender Pfeifton erfüllt das gesamte Gebäude. Er schmerzt in den Ohren. Dann wird er leiser, verebbt zu einem Winseln und verstummt.
Stille. Auch das Beben hat aufgehört.
„Ungeschicktes Pack!“, knurrt die Frau. „Manche lernen es nie. Stress ruiniert den Geschmack.“
Ich habe nicht die geringste Ahnung, wovon die Frau redet. Aber so wie es aussieht, werden wir es sehr bald erfahren.
Mit quietschenden Sohlen gehen wir durch die Gänge, bis wir ein großes Metalltor erreichen. Auf einer Instrumententafel blinken farbige Lampen. Auf einer Anzeige leuchten die Ziffern 3,977.
Die Frau betätigt einen Schalter. Nichts geschieht. Sie muss den Schalter mehrmals unter lautem Fluchen ein- und ausschalten, bis sich das Tor mit einem rostigen Knirschen öffnet.
Kühle Luft flutet uns entgegen. Niemals zuvor habe ich eine solche Kälte gefühlt. Ich ahne, dass die Zahlen über der Instrumententafel die Temperatur jenseits des Tores angeben. Knapp vier Grad. Das muss der kälteste Ort in ganz Porterville sein.
Das Tor hat sich erst zur Hälfte geöffnet.
Dieses Mal bin ich es, die kreischt. Ich blicke in eine gigantische Halle. Viele Menschen in grauer Gummikleidung und einige in weißen Kitteln eilen umher. Vor ihnen türmt sich eine graubraune Masse auf. Sie reicht fast bis zur Hallendecke. Seile schneiden tief in die feucht glänzende Oberfläche.
Die Masse zuckt, versucht die Seile zu sprengen. Windet sich wie ein Wurm.
Es lebt!
Debra würgt.
„Willkommen in den Fleischbänken“, sagt die Kittelträgerin.
„Tori!“, ruft eine Stimme hinter mir. Ich erkenne sie sofort.
- 5 -
Tag 188 Jahr 0048
Es duftet nach Vanille. Es gibt nur einen einzigen Ort in Porterville, beziehungsweise nur einen einzigen Menschen, der so riecht. Daher weiß ich sofort wieder, wo ich bin.
Ich öffne die Augen und sehe in das gütige Gesicht meines Großvater Howard K. Brenner. Kaum jemand kennt seinen zweiten Vornamen. Er findet ihn grässlich. Aber mir hat er ihn verraten. Er lautet Kurt.
„Alles ist gut“, sagt er leise und wischt mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Er raucht keinen seiner Zigarillos mit Vanillearoma. Aber der Duft umgibt ihn ständig. Ich mag das.
Ich liege in einem sehr weichen Bett und fühle mich federleicht. Dieses Zimmer hat er für mich einrichten lassen. Für meine wenigen Besuche bei ihm. Es befindet sich im 45. Stock des Sato-Towers. Nur zehn Stockwerke unter dem Apartment des Bürgermeisters.
Mein Großvater und ich sind uns sehr
Weitere Kostenlose Bücher