Porterville - Mystery-Serie: Edition I (Folgen 1-6)
Wand.
„Das Haus stand seit Jahren leer“, erklärt Mr. Landino und erklimmt die erste Stufe. „Aber kürzlich ist hier etwas, sagen wir mal, Erstaunliches geschehen.“
Ein junger Mann in der Uniform der IFIS kommt uns auf halbem Wege entgegen. „Hallo, Mr. Landino“, sagt er. „Ist das unsere Beobachterin?“
Mr. Landino nickt und der Mann von der Instanz mustert mich neugierig. Ich erröte unter seinem Blick. Die Nähe zu ihm verstört mich. Er scheint es zu bemerken und wendet sich ab.
In der ersten Etage erwartet uns ein weiterer IFIS-Mann. An der Wand neben ihm lehnt ein Gewehr.
Eine Tür öffnet sich und eine Frau, die nur unwesentlich jünger als Mr. Landino zu sein scheint, betritt den Flur. Sie trägt keine Uniform, sondern einen, wie ich zufrieden feststelle, überaus züchtig geschnittenen Hosenanzug. Ich erhasche einen Blick auf das Innere des Zimmers hinter ihr, ehe sie die Tür schließt. Mehrere Frauen und Männer sitzen dort vor Monitoren und blinkenden Geräten, deren Funktion mir völlig unbekannt ist.
„Hallo, Tori! Ich bin Dr. Neville“, begrüßt mich die Frau im schwarzen Hosenanzug und deutet auf eine weitere Tür am Ende des Flurs. „Wir brauchen dich in diesem Raum.“ Dr. Neville geht vor und schließt die Tür auf. Sie vermeidet es, über die Schwelle zu treten. „Darin findest du alles, was du benötigst. Wir möchten, dass du dir Notizen machst. Von allem, was im Zimmer geschehen wird. Eine Verbindungstür führt in ein provisorisch hergerichtetes Bad mit Toilette. Bitte halte dich dort nur so lange auf, wie unbedingt nötig.“
Dr. Nevilles Pupillen stehen nicht still. Sie wandern in Sekundenbruchteilen zu mir, fixieren Mr. Landino, starren zur Decke und dann zu irgendeinem Punkt hinter mir. Das macht mich nervös.
„Auf was muss ich denn überhaupt achten?“, frage ich.
„Das wirst du schon merken.“ Dr. Neville gibt die Tür frei.
Mr. Landino winkt mir aufmunternd zu. „Dir kann nichts geschehen. Du wirst ständig von mehreren Kameras überwacht.“ Ich merke, dass ich schwer atme und meine Schultermuskeln anspanne, als erwarte ich einen Angriff. Ich verharre an der Schwelle, mache einen unnötig großen Schritt und bin im Zimmer.
Mit den Worten „Dein Dienst beginnt jetzt“ verriegelt Dr. Neville die Tür von außen.
Das Zimmer, das ich mir bisher mit Emily teilen musste, ist genau zehn Quadratmeter groß. So ist es in der Schulordnung vorgeschrieben. Dieses hier ist mindestens doppelt so groß. Unter der Decke summt eine Neonröhre. Es gibt keinerlei Einrichtungsgegenstände. Bis auf einen Stuhl ohne Lehnen. Auf der Sitzfläche liegen ein Notizheft und ein Stift. In genau so ein Heft habe ich meine Beobachtungen für Mr. Landino geschrieben. Auf der Fensterbank stehen drei Literflaschen mit Wasser und eine Packung Knabberstangen aus gehärtetem Supreme . Das Fenster wurde von innen mit einer schwarzen Folie zugeklebt. Nicht der geringste Schimmer Tageslicht dringt hindurch.
Ich suche vergebens die Kameras, die Mr. Landino erwähnt hat. Entweder existieren sie nicht oder sie sind winzig klein.
Langsam bekomme ich ein wenig Angst. Obwohl es hier keinen Grund dazu gibt.
Ich werfe einen Blick in das Badezimmer. Es ist winzig und riecht nach Schimmel.
Muss ich hier auch übernachten? Wenn ja, soll ich dann auf dem Fußboden schlafen?
Ich setze mich auf den Stuhl und warte. Es ist absolut still. Nichts geschieht.
Das Beruhigungsmittel, das mir Großvater verabreicht hat, scheint noch immer zu wirken. Es fällt mir schwer, die Augen offenzuhalten.
Ich reiße die Augen auf und benötige einen Moment, um mich daran zu erinnern, wo ich bin.
Etwas hat mich am Bein berührt. Ich springe auf und sehe mich um. Da ist nichts. Aber an der Strumpfhose, unmittelbar unter dem linken Knie, ist nun ein Fleck. Er fühlt sich unter meinen Fingern ein wenig feucht an und ist nicht größer als mein Daumennagel.
Ich eile ins Badezimmer und lasse mir kaltes Wasser über die Unterarme laufen. Es ist schlimm, dass ich schon am Anfang meines Auftrags eingenickt bin. Das darf nicht noch einmal passieren.
Wo kommt der Fleck her?
Ich soll alles notieren, was hier geschieht. Also mache ich eine Notiz über den Fleck und die Berührung, die mich geweckt hat. Als ich die drei Sätze noch einmal zur Korrektur lese, kommt mir ihr Inhalt ziemlich lächerlich vor.
Ich stelle mich in die Mitte des Zimmers. Von hier können mich die Kameras vermutlich am besten aufzeichnen.
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