Porterville - Mystery-Serie: Edition I (Folgen 1-6)
unmotivierten Sträflingen sind alles andere als effektiv, aber Sato ging es um die psychologische Wirkung auf die Bürger. „Die Leute sollen sehen, dass es sich nicht lohnt, gegen unsere Regeln zu verstoßen und gleichzeitig sehen sie, dass wir etwas für die Stadt tun.“, meinte er. Eine seiner üblichen Kalender-Weisheiten.
Und dann sehe ich meinen Chef, wie er mir von einem überdimensionalen Werbeplakat zulächelt. „Porterville schafft Platz für neue Anbauflächen“ verkündet eine große Tafel an einem Bauzaun, auf der ein Foto von Sato zu sehen ist, der einem Bauer mit blauer Latzhose und einem Strohhut lächelnd die Hand reicht. Emily, die neben mir sitzt, winkt den beiden zu, dann kaut sie wieder auf dem Schlappohr ihres blauen Hasen herum.
Die Sträflinge im Arbeitstrupp können sich noch glücklich schätzen. Sie sind gewöhnliche Kriminelle, kleine Verbrecher, Diebe, Hehler, waren in eine Schlägerei verwickelt oder haben Steuern hinterzogen. Die anderen, die Schwerverbrecher, die psychisch Kranken und all die, die den Mund gegen Sato aufmachen, kommen nach Draußen . In Viehtransportern schafft Kellogg sie vor die Tore der Stadt und dort überlässt man sie ihrem Schicksal. Man hört nie wieder etwas von ihnen. Inzwischen müssen Hunderte auf diese Weise die Stadt verlassen haben. Die Jungen und die ganz Alten bleiben. Die Menschen meiner Generation werden jeden Tag weniger in dieser Stadt. Selbst schwerbewaffnete Erkundungstrupps, die wir noch vor zwei Jahren nach Draußen geschickt haben, sind nicht zurückgekehrt. Wir wissen nicht, was dort ist.
Aber es ist ganz sicher tödlich, das steht fest.
Der Staub, den die Sträflinge aufwerfen, glitzert im Licht der Morgensonne. Über dem Schutzschild ziehen schwarze Wolken auf. Es wird bald regnen. Aber nicht hier drinnen. Emily kennt Regen nicht, sie hat ihn noch nie auf ihrer Haut gespürt, nie gefühlt, wie es ist, wenn nach einem brütend heißen Tag ein Regenschauer den Staub von den Straßen wäscht und die Hitze des Tages nimmt. Aber eines Tages wird sie ihn kennenlernen.
Colin, mein Fahrer, bremst vor dem fünfstöckigen, anonymen Wohnblock. Die grüne Farbe, mit der man vor Jahrzehnten versucht hat, den tristen Beton etwas freundlicher wirken zu lassen, ist lange verblasst und schält sich von der Fassade.
„Warten Sie bitte, Colin. Es wird ein paar Minuten dauern.“
Colin nickt und zieht eine alte, abgegriffene Ausgabe von Wuthering Heights aus dem Handschuhfach. Er war Buchhändler, bevor mich mein Vater bat, ihm den Job als Fahrer zu besorgen.
Ich nehme Emily bei der Hand und wir betreten den Wohnblock. Ihr roter Rucksack ist viel zu groß und baumelt bis zu ihren Kniekehlen, als wir die Treppe nach oben nehmen. Einige der Wohnungstüren sind mit Holzbrettern zugenagelt, in den Fluren liegen Plastiktüten und leere Milchkartons. Es riecht nach scharfen Desinfektionsmitteln und Kraut. Ich habe meinem Vater ein Dutzend Mal angeboten, zu uns zu ziehen. In unserem Haus ist weiß Gott genug Platz, alles wäre so viel einfacher, für ihn und auch für uns. Doch er hat immer wieder abgelehnt. „Ich gehöre in dieses Mietshaus, Jefferson. Ich weiß, es ist nicht schön, aber ich fühle mich wohl darin. Und wenn ich bei euch wohnen würde, käme ich gar nicht mehr raus.“ Es ist sinnlos zu versuchen, ihn umzustimmen. Dennoch bringe ich fast jedes Mal die Sprache darauf, wenn ich bei ihm bin und den Verfall des Blocks mitansehen muss.
Die Wohnungsverwaltung, die mir untersteht, tut viel dafür, Blocks wie diese, in denen nur noch drei oder vier Wohnungen bewohnt sind, zu eliminieren. Wir versuchen, die Leute zum Umzug zu bewegen, um Wohneinheiten zu schaffen, die voll vermietet sind. Der Verfall lässt sich so besser aufhalten, die Wasser- und Stromversorgung ist einfacher und günstiger, Reparaturen machen Sinn und gehen schneller. Doch die meisten Leute sind wie mein Vater: Egal, wie heruntergekommen ihr Mietshaus ist, es ist ihr Zuhause und sie lassen es nicht freiwillig im Stich.
Als wir an Vaters Tür angelangt sind und ich gerade den Klingelknopf drücken will, öffnet sich die Tür von alleine und eine junge Frau, Ende zwanzig, mit kurzen, dunklen Haaren und einer schmalen, spitzen Nase öffnet die Tür. Sie trägt eine gebügelte Schwesterntracht und zieht einen Rollkoffer hinter sich her. Ich habe sie noch nie gesehen, doch sie lächelt mich und Emily sofort freundlich an, als wären wir alte Bekannte.
„Sie müssen Jefferson
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