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Porterville - Mystery-Serie: Edition I (Folgen 1-6)

Porterville - Mystery-Serie: Edition I (Folgen 1-6)

Titel: Porterville - Mystery-Serie: Edition I (Folgen 1-6) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimon Weber , Anette Strohmeyer , Simon X. Rost , John Beckmann
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kommen Sie zu spät.“

- 6 -

    Beurteile den Tag nicht nach dem, was du geerntet hast, sondern danach, was du ausgesät hast.
    Das Zitat von Robert Louis Stevenson steht in dicken Lettern über dem Eingang des Bedarfscenters. Früher war es der Leitspruch der Bibliothek, für sie wurde das Zitat einst in den hellbraunen Sandstein gemeißelt. Sato hat gelacht, als er es gesehen hat und lapidar bemerkt: „Passt doch auch für Einkaufswagen, Waschpulver und Bohnen in Tomatensoße, oder nicht?“ Die breite Treppe, die an zahlreichen Säulen vorbei zum Eingangsportal führt, ist voller Menschen, die die Eröffnung nicht verpassen wollen. Ein Schulorchester steht vor dem Portal und probt zum letzten mal die fröhliche Marschmusik, die sie vor Satos Rede spielen sollen.
    Satos Rede.
    Ich habe sie in meiner Tasche. Wie die meisten Politiker ist Sato zwar ein rhetorisches Talent, wenn es darum geht zu verhandeln, aus dem Stegreif eine Anekdote zu erzählen oder der Presse zwei druckbare Sätze zu einem aktuellen Ereignis zu liefern. Doch eine längere Rede bringt er ohne Hilfe nicht zuwege. Das war schon immer meine Aufgabe. Kurze Eröffnungsreden wie die bevorstehende nutzt Sato stets, um eine Art Regierungserklärung abzugeben.
    Er ist fanatisch, was den genauen Wortlaut angeht, will eine Lappalie wie die Eröffnung eines Bedarfscenters oder die Einweihung eines neuen Trinkwasserreservoirs stets in ‚das große Ganze‘ eingebettet wissen, fordert Bezüge zur Vergangenheit und einen rosigen Ausblick auf die Zukunft und seien sie noch so weit hergeholt.
    „Die Menschen in Porterville erwarten das von uns, Jefferson! Gib ihnen etwas, das sie hoffen lässt!“, sagt er immer. Und ich werde ihnen etwas geben, das sie hoffen lässt. Den anderen, denen, die da draußen vor den Türen des Bedarfscenters mit einer geballten Faust in der Tasche stehen, weil sie anderer Meinung sind als Sato. Ihnen werde ich Hoffnung geben, nicht den Zuschauern, die zur Eröffnung gekommen sind. Das ist nur Klatschvieh, Schüler und Mitglieder der IFIS, zusammengetrommelt, um ein begeistertes Publikum zu mimen, den Zeitungslesern zu suggerieren, dass die Bevölkerung Satos Politik unterstützt, und Sato zu suggerieren, dass die Menschen seiner Stadt ihn lieben.
    Es ist ein Geben und Nehmen, wobei immer dieselben geben und immer derselbe nimmt.
    Als ich das Gebäude betrete, sehe ich Sato hinter der kleinen Bühne im Kreise seiner üblichen Kamarilla stehen. Treyvon ist bei ihm, spricht in sein Walkie-Talkie. Die beiden „El‘s“, Elaine, seine Sekretärin, und Eleanor Dare-Sato, seine Frau, zupfen an seinem Anzugkragen, ziehen seine Krawatte zurecht, damit er für die Kameras und die sich langsam füllenden Zuschauerreihen ein optimales Bild abgibt. Ungeduldig blickt Sato auf seine Uhr. Er hält Ausschau nach mir und seufzt erleichtert auf, als er mich entdeckt. Ich passiere die Kontrolle am Eingang, ohne durchsucht zu werden. Man kennt mich. Niemand käme auf den Gedanken, dass Satos engster Mitarbeiter eine Bombe in seiner Aktentasche mit sich trägt.
    „Herrgott, Jefferson, wo warst du? Ich brauche die Rede! Ich will sie wenigstens einmal durchsehen!“
    Er ist verärgert. Und obwohl er einen guten Kopf kleiner ist als ich, bin ich immer wieder eigeschüchtert, wenn sich Sato vor mir aufbaut. Der Mann sprüht vor Energie und er weiß es. Er setzt sie ein, um Leute zu begeistern oder einzuschüchtern. Ganz nach Bedarf. Ich versuche, mich davon nicht beeindrucken zu lassen, lächle ihn an und reiche ihm die Hand.
    „Hallo, Takumi. Schön, dich zu sehen.“ Ich nicke seiner Frau und seiner Sekretärin zu und sie lächeln dünn zurück.
    Takumi stockt kurz. Dann ergreift er meine Hand und nickt. „Ja. Auch schön, dich zu sehen, Jefferson. Aber ich hatte vor zwanzig Minuten mit dir gerechnet. Warum hab ich dich gestern im Büro nicht erreicht?“
    Weil ich im Stadion war, um deinen Tod zu planen, denke ich und sage: „Ich hab mich nicht wohlgefühlt. Ich war früh zuhause.“
    Sato wird bleich. „Aber du hast die Rede, oder? Du hast sie doch fertiggemacht?“
    Ich nicke. Dann, als ich Charlotte im Gespräch mit jemandem von der Stadtverwaltung entdecke, ziehe ich Sato mit mir. „Ich hab sie hier“, sage ich und tätschele meine Aktentasche. „Aber Charlotte hat die ersten zwei Seiten noch einmal korrigiert. Komm mit.“
    Sato folgt mir bereitwillig und Treyvon folgt uns, während er gleichzeitig über sein Walkie-Talkie die Wachen am

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