Porterville - Mystery-Serie: Edition I (Folgen 1-6)
lächle und hebe abwehrend die Hand. „Ich ... wollte nur wissen, wie das damals war bei dir. Vor vielen Jahren, als Hudson noch Bürgermeister war. Du hast angedeutet, dass du dich in große Schwierigkeiten gebracht hast, damals. Weil du jemanden retten wolltest, hast du gesagt. Hast du dich je gefragt, ob es das wert war? Ob es richtig war, den Job in der Bibliothek und dein ganzes damaliges Leben aufs Spiel zu setzen?“
Mein Vater blinzelt. Er sieht jetzt einfach nur müde aus. Traurig schüttelt er den Kopf. „Ich war damals dumm, Jefferson. Ich hätte einfach nur die Klappe halten und mich ruhig verhalten sollen. Damals, als alles noch in Ordnung war. Als wir noch woanders waren.“
„’Woanders’? Wir haben doch schon immer in Porterville gelebt, oder nicht?“
Vater blickt auf, er lächelt müde. „Schon. Aber die Stadt war nicht immer hier. Wir waren in einer anderen Zeit. Die ganze Stadt war in einer anderen Zeit. Uns ... uns wurde verboten, darüber zu sprechen.“
Ich schüttle den Kopf. „Warum ‚verboten’? Jeder weiß es!“
Nachsichtig blickt er bei meiner Antwort aus seinen kleinen Augen, so wie früher, wenn ich als Kind etwas gesagt hatte und an diesem Blick genau erkennen konnte, dass er sich seinen Teil dachte. Dachte, er wüsste mehr über die Sache, aber er könne mir als Kind dieses ‚mehr’ nicht erklären. Martin bemerkt meinen besorgten Ausdruck und räuspert sich.
„Ähm. Ja ... ganz recht. Und sieh mich an, Jefferson: Kein Mensch dankt mir heute, was ich damals getan habe. Und ich selber weiß auch nicht mehr, ob es das alles wert war. Damals war es mir ungeheuer wichtig, aber heute ist es einfach nicht mehr von Belang. Gerechtigkeit? Freiheit? Schöne Worte, sicher. Aber am Ende geht es darum, die wenige Zeit, die uns bleibt, mit denen zu verbringen, die wir lieben. Heute will ich einfach nur mit Emily durch die Wohnung springen und ihr Bilderbücher vorlesen. Das reicht mir schon. Ich weiß nicht, ob es dir auch eines Tages so gehen wird, Jefferson. Aber ich würde es mir sehr gut überlegen, was immer du auch vorhast.“
Emily, die noch immer auf Vaters Schultern sitzt, zieht ihn an den Ohren, ruft „Hüa, Pfättchen! Hüa!“ und mein Vater beginnt wieder, durch seine enge, kleine Wohnung zu reiten. Sie lachen.
Ich muss los.
Als ich den Wohnblock verlasse, tritt ein Mann aus dem Schatten des nächsten Hauseingangs und kommt auf mich zu. Er ist groß, muskulös und seine rötlich schimmernden Haare sind streng gescheitelt. Er trägt die Uniform eines Sergeants. Aber sie ist grün, es ist eine Uniform von früher, bevor Kellogg unsere Truppen in die IFIS umgewandelt hat. Fieberhaft überlege ich, was das zu bedeuten hat. Ist Kellogg uns auf die Schliche gekommen? Aber warum schickt er nur einen Mann und noch dazu einen Mann in einer alten Uniform? Der Sergeant bleibt vor mir stehen, er selber sieht makellos aus, frisch rasiert, gepflegt, die Uniform jedoch hat Löcher und Brandflecken, ist an manchen Stellen abgerissen. Seine Augen flackern unstet von mir zur Straße, wo Colin im Wagen wartet. „Jefferson Prey?“ spricht er mich an und ich nicke.
„Ja. Und wer sind Sie?“
Er deutet auf den Aufnäher auf seiner Brust. ‚Walter Berry’ steht da, und dann sagt er es auch. „Sergeant Walter Berry, Sir.“
Ich sehe in seine blauen Augen und bei dem Namen dämmert mir etwas. Ich habe den Namen schon einmal gehört, weiß aber nicht mehr, wann und wo, und bevor ich ihn fragen kann, reißt er mit einer knappen, kräftigen Bewegung den mit Klettverschluss befestigten Aufnäher von seiner Uniformjacke und drückt ihn mir in die Hand. „Sie wissen, was zu tun ist, Sir. Tun Sie es.“
Und dann geht er mit straffem, militärischem Schritt an mir vorbei, überquert die Straße und verschwindet in einer Seitengasse, bevor ich ihn fragen kann, was das soll. Ich betrachte den Aufnäher in meiner Hand. Berry.
Ich höre eine Stimme in meinem Kopf, die diesen Namen immer wiederholt: „Berry! Du hast doch gesehen, was sie mit Berry gemacht haben!“ Und dann fällt mir auch ein, wo ich diesen Namen gehört habe: in den Katakomben des Stadions, vor fast zwei Jahren. Von einem verwirrten Soldaten, der von Draußen zurückkam. Was hat das zu bedeuten? Bedeutet es eine Gefahr für unsere Sache?
Verwirrt stehe ich da und starre auf den Aufnäher, bis Colin plötzlich hupt und mich aus den Gedanken reißt. Er lässt das Seitenfenster runter.
„Wir müssen los, Sir. Sonst
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