Porterville - Mystery-Serie: Edition I (Folgen 1-6)
Eingang instruiert. Treyvon scheint nicht ganz so viel Vertrauen in die große Liebe der Bevölkerung zu Sato zu haben, wie der Bürgermeister selber. Und er weiß, warum.
Als wir uns Charlotte nähern, sehe ich noch zwei unserer Leute, Nate und Jarvis Teller, grauhaarige Zwillinge, die hinter den Stuhlreihen stehen und ein Banner mit den Worten ‚Mit Sato für Portervilles Zukunft’ in die Höhe halten. Sobald die Bombe explodiert ist, werden aus den soliden Stangen, die das Banner halten, Schlagstöcke, um die Schneemänner an den Eingängen zu überwältigen.
Als sie uns näherkommen sieht, beendet Charlotte ihr Gespräch. Das elegante graue Twinset bringt ihre langen Beine zur Geltung, ihre dunklen Locken fließen wie schwarzes Wasser über die Schultern.
„Bürgermeister. Jefferson. Freut mich, Sie zu sehen. Das ist ein großer Tag heute, nicht wahr?“ Charlotte lächelt uns an. Sie spielt ihre Rolle großartig. Ich bewundere sie. All die Kämpfe der Vergangenheit, der Verlust ihres Bruders, die Enttäuschung durch Satos Regime – nichts scheint ihr etwas anhaben zu können. Sie hat sich einen unerschütterlichen Optimismus bewahrt, einen Glauben an die gerechte Sache. Und den Glauben an mich, denke ich. Sie zieht einige Papiere aus ihrer großen Handtasche.
„Sie wollen die Rede, nicht wahr? Ich hab sie hier, sehen Sie?“
Sato reißt sie ihr fast aus der Hand. Er überfliegt die Zeilen.
„Gut ...“, murmelt er, während er liest. „Das ist sehr gut …“. Er sieht zu mir auf. „Das ist sogar brillant, Jefferson. Vielen Dank. Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann.“
Charlotte lächelt und nickt eifrig. „Jefferson hat die restlichen Seiten noch mal nach Ihren Wünschen überarbeitet, Sir, er –“
Und das ist mein Stichwort. Ich greife mir an den Bauch, verziehe das Gesicht und stütze mich an Charlotte ab. Sato blickt erstaunt auf und Charlotte reißt gespielt die Augen auf. „Jeff? Alles klar?“
„Ja“, murmle ich und beiße die Zähne zusammen. „Nein. Es zwickt ... Entschuldigt mich bitte für einen Moment.“
Ich lasse die beiden einfach stehen und entferne mich Richtung Toilette. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Sato mir besorgt hinterherblickt und sich dann fragend an Charlotte wendet. Treyvon tritt zu ihnen.
Und ich gehe auf die Toilette, um die Bombe scharfzumachen.
- 7 -
„‚Beurteile den Tag nicht nach dem, was du geerntet hast, sondern danach, was du ausgesät hast‘, hat Robert Louis Stevenson einmal gesagt. Seine Worte schmücken das Portal dieses großartigen Gebäudes schon fast ein Jahrhundert lang, aber selten waren die Worte eines Dichters zutreffender, als an genau diesem Ort, an genau diesem Tag, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Mitbürger!“
Applaus brandet auf. Sato hat mit der Rede begonnen. Die zwei Seiten, die ihm Charlotte in die Hand gedrückt hat, liegen vor ihm auf dem Pult. Er wendet sich kurz über die Schulter und sieht mich in Treyvons Begleitung auf die Bühne zukommen. Er nickt erleichtert und macht mit der Hand eine winkende Geste, der ich entnehme, dass ich ihm die restlichen Seiten geben soll.
Das werde ich tun. Und dann die Aktentasche mit dem scharfen Sprengsatz neben ihm stehenlassen. Ich blicke ein letztes Mal zu Charlotte, die in den Stuhlreihen hinter der Bühne neben Eleanor sitzt. Sie nickt mir zu, doch ich sehe ein Flackern in ihren Augen. Anspannung? Angst? Zweifel?
Egal, es wird jetzt passieren. Mir bleibt vielleicht noch eine Minute, vielleicht etwas mehr. Ich nehme die drei Stufen, die zur Bühne führen, greife in die Aktentasche und lege Sato die restlichen Seiten auf das Pult. Er beachtet mich nicht, spricht weiter zum Publikum.
„Wir sind hier heute nicht nur zusammengekommen, um das größte Bedarfscenter in Porterville einzuweihen und seiner Bestimmung zu übergeben. Nein. Es geht um viel mehr ...“
Ich bücke mich kurz, stelle die Aktentasche vor seine Beine, das Publikum sieht sie dennoch nicht, da das Pult sie verdeckt. Das Pult ist solide gearbeitet, schweres Eichenholz, und davor ist ein halbrunder Plexiglasschirm aufgebaut, wie bei jeder Rede Satos. Die Splitter werden nicht einmal bis in die erste Reihe fliegen.
Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, ich wende mich um. Es bleiben vielleicht noch dreißig Sekunden. Vielleicht weniger. Hinter der Bühne steht ein dicker Sandsteinpfeiler, der die Decke stützt. Er ist mein Ziel. Dort sitzt auch Charlotte und dort werden wir
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