Porterville - Mystery-Serie: Edition I (Folgen 1-6)
abwarten.
Es wird passieren. Heute. Jetzt.
Gleich wird diese Stadt von ihrem schlimmsten Feind erlöst werden.
Ich nehme gerade die Stufen nach unten, als mich eine Stimme innehalten lässt.
Seine Stimme.
Sato hat die Hand auf das Mikrofon gelegt, damit das Publikum ihn nicht hört. Er hat sich zu mir umgewandt, lächelt mich an.
„Hast du nicht etwas vergessen, Jefferson?“
Er nickt mit dem Kinn zu der Aktentasche unter dem Pult.
Ich blinzle. Er weiß es.
Es kann keinen Zweifel geben. Ich sehe es ihm an.
Wieviel Zeit noch bis zur Detonation? Zwanzig Sekunden? Zehn?
Ich drehe mich einfach um und laufe weiter. Ich will zum Pfeiler, zu Charlotte.
Doch Charlotte sitzt nicht mehr da.
Und Treyvon ist mir in den Weg getreten. Er hat eine Waffe in der Hand und richtet sie auf mich. Er presst die Lippen zusammen, dann flüstert er: „Bitte, machen Sie das hier nicht schwerer als es ohnehin ist, Mr. Prey.“
Ich sehe seinen Augen an, dass er schießen wird, wenn ich versuche zu flüchten. Meine Kehle schnürt sich zu. Wo ist Charlotte?
„Bitte entschuldigen Sie mich kurz“, höre ich Satos Stimme über die Lautsprecher. Er kommt auf mich zu. Ein Raunen geht durch das Publikum. Hinter der letzten Stuhlreihe gibt es ein kleines Handgemenge. Zwei IFIS-Männer ziehen Nate und Jarvis beiseite. Sie drücken ihnen etwas in den Rücken.
Das Blut pumpt in meinen Schläfen. Wo ist Charlotte? Was haben sie mit ihr gemacht? Wann geht der Sprengsatz endlich hoch?
Sato tritt zu mir. Er schüttelt enttäuscht den Kopf. „Jefferson. Findest du das nicht etwas theatralisch? Das ist ja fast wie bei Brutus und Cäsar.“
Er bemerkt meinen flackernden Blick, wendet sich kurz über seine Schulter zu meiner Aktentasche. „Ich muss dich enttäuschen“, sagt er lächelnd, „aber es war bereits kein Sprengstoff mehr, als Morris dir das Päckchen übergeben hat. Wir haben es ausgetauscht. Ich wollte nur wissen, ob du tatsächlich so weit gehen würdest. Ob du wirklich den Mumm hast, es zu tun.“
Jetzt ist das Lächeln aus seinem Gesicht gewichen. Er sieht müde und abgekämpft aus und blickt betroffen zu Boden. „Ausgerechnet du, Jefferson. Ich habe so auf dich gebaut.“
Er kommt näher an mich heran, tätschelt meine Wange und blickt mir lange in die Augen. „Ich dachte, du bist mein Freund“, sagt er schließlich kopfschüttelnd und wendet sich um. „Aber jetzt musst du mich entschuldigen, man wartet auf mich.“
In meinem Kopf geht alles durcheinander. Wie hat er davon erfahren? Haben sie einen Spitzel in unserer Gruppe? Sind unsere Teams bei Kellogg und im Rathaus auch aufgeflogen, oder nur ich? Treyvon legt mir eine Hand auf die Schulter, will mich wegziehen, und Sato geht wieder auf die Bühne, als ich ihm hinterherschreie: „Was hast du mit ihr gemacht? Wo ist Charlotte?“
Sato bleibt stehen und blickt sich noch mal zu mir um. Ein dünnes Lächeln ist in sein Gesicht zurückgekehrt. „Ich habe gar nichts mit ihr gemacht, Jefferson. Ich denke, man kann sagen, sie hat etwas mit dir gemacht.“
Dann geht er weiter zum Rednerpult. Mein Kopf dreht sich, mir wird schwindelig, ich kann mich nur mit Mühe auf den Beinen halten.
Charlotte? Nein!
Als Treyvon mich an der Schulter packt und abführt, steht sie plötzlich vor mir. Zwei Schneemänner der IFIS flankieren sie, zwei weitere haben Nate und Jarvis im Schlepptau. Nate blutet an der Schläfe, die Zwillinge sind mit Kabelbindern hinter dem Rücken gefesselt.
Charlotte sieht zerknirscht aus. „Tut mir leid, Jeff“, sagt sie. „Aber ich muss an mich selber denken. Und was ihr tut, ist falsch für diese Stadt.“
Meine Gesichtszüge frieren ein. „Ich hoffe, er bezahlt dich gut. Du weißt, dass du Satos Versprechen nicht glauben kannst.“ Sie nickt und ihre Augen funkeln angriffslustig. „Ich kann gut auf mich aufpassen, Jeff. Um mich musst du dir keine Sorgen machen. Du hast jetzt genug eigene.“
Ich nicke stumm, weil es nichts mehr zu sagen gibt. Charlotte tritt näher zu mir und drückt mir einen Kuss auf den Mund.
„Ich werde Emilys Klavierspiel vermissen“, flüstert sie. Dann führt Treyvon mich ab. Satos Stimme dröhnt über den Lautsprecher.
„Wir müssen nach vorne blicken und die Vergangenheit hinter uns lassen, wenn uns diese Vergangenheit nicht weiterbringt. Wir müssen uns manchmal vom Alten verabschieden, um das Neue zu erlangen, so schmerzlich so ein Abschied auch sein mag.“
In der Rede, die ich für Sato geschrieben habe, ist
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