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Porterville - Mystery-Serie: Edition I (Folgen 1-6)

Porterville - Mystery-Serie: Edition I (Folgen 1-6)

Titel: Porterville - Mystery-Serie: Edition I (Folgen 1-6) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimon Weber , Anette Strohmeyer , Simon X. Rost , John Beckmann
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Bowlingbahn. Ein langgezogener Schlauch, dessen Längsseite mit Stühlen gesäumt ist. Beinahe alle sind besetzt. Es müssen mindestens dreißig Wartende sein. Die Männer tragen Anzug mit Krawatte, die vereinzelten Frauen Blazer und Rock. Ich fühle mich angestarrt. Vielleicht liegt es an meinen Jeans, obwohl die nur von den vorderen Plätzen zu sehen sein dürften. Vielleicht auch am Bingen des Fahrstuhls, welches immer noch in der Luft liegt.
    Am anderen Ende des Schlauchs befindet sich eine breite Doppeltür, die die komplette Breite des Raumes einnimmt. Daneben ein kleiner Empfangstresen. Ich bemerke die zierliche Frau dahinter erst, als sie mich zu sich winkt.
    „Mr. Higgins?“, fragt sie. Sie ist zu jung, als dass es sich um Mrs. Starck handeln könnte.
    Ich nicke. „Bin ich zu spät?“
    „Nein, nein, Sie sind pünktlich“, sagt sie und macht sich eine Notiz. „Die anderen waren zu früh da.“
    „Auch eine Form von Unpünktlichkeit“, entgegne ich lächelnd.
    Die Empfangsdame reagiert nicht.
    „Ich brauche noch zwei Unterschriften von Ihnen.“ Sie legt einen Stapel zusammengetackerter Seiten auf den Tresen. Bereits das Deckblatt ist eng bedruckt.
    „Was ist das?“, frage ich und blättere. Die Schriftgröße scheint im hinteren Teil sogar noch kleiner zu sein.
    „Eine Formalität. Den Bewerbungsprozess betreffend.“ Die Frau schlägt die letzte Seite auf. „Unterschreiben Sie einfach hier und hier.“
    Sie reicht mir einen Kugelschreiber. Ich unterschreibe. Die Formalität verschwindet hinter dem Tresen.
    „Nehmen Sie noch kurz Platz.“
    Ich habe mich bereits halb abgewandt, als mir etwas einfällt. „Was ist mit den Anfahrtskosten? Mir wurde gesagt, die werden erstattet?“
    „Haben Sie sich eine Quittung geben lassen?“
    Ich hole den Beleg aus der Manteltasche.
    Die Empfangsdame nimmt ihn entgegen. „Wir überweisen Ihnen den Betrag.“
    Ich habe gerade einen freien Stuhl gefunden, als Bewegung in die Reihe der Wartenden kommt. In seiner schnellen Folge, beginnend beim Tresen, drehen sich alle Köpfe nacheinander wie Dominosteine in Richtung Flügeltür. Eine Hälfte steht jetzt offen. Ein junger Mann in einem beigen Leinenanzug tritt heraus und unterhält sich kurz mit der Empfangsdame. Sein Seitenscheitel sieht aus, als wäre er mit dem Lineal gezogen und mit Klebstoff fixiert worden.
    „Danke, dass Sie alle gekommen sind“, wendet er sich an uns. Bei genauerer Betrachtung kann er nicht älter als einundzwanzig sein. „Mr. Thomas erwartet Sie bereits.“
    Anscheinend wissen alle anderen, wer Mr. Thomas ist, denn sie beeilen sich, ihre Sporttaschen aufzuheben und an dem Jungen mit dem Seitenscheitel vorbeizugelangen. Ich lasse mich vom Strom mitreißen.
    Der Raum hinter der Flügeltür hat die Ausmaße einer Turnhalle. Quadratmetergroße Gemälde mit abstrakten Motiven bedecken die Wände. Dazwischen ein knappes Dutzend überdimensionaler Uhren mit den Städtenamen amerikanischer, europäischer und asiatischer Metropolen und zwei mit Marmor ausgekleidete Vorsprünge, auf denen ausgeschaltete Monitore stehen. Die linke Ecke des Raumes beherbergt zwei grüne Ledercouches mit einigen passenden Sesseln. Die Wand zur Rechten besteht komplett aus Glas. Die Stadt reicht fast bis zum Horizont, der Himmel darüber erscheint unendlich. Vor dieser Kulisse wirkt der massive Eichenschreibtisch seltsam klein. Genauso wie der Mann, der mit dem Rücken zu uns daneben steht.
    „Wissen Sie, was ich sehe?“, fragt er und blickt nach draußen, wo sich die Bostoner Innenstadt bis zu den Wohngebieten erstreckt, zusehends abflacht, in die Vororte übergeht und schließlich in Wäldern und Feldern endet.
    Ich weiß, dass es Mr. Thomas ist, bevor er sich umdreht.
    „Ich sehe die Zukunft“, sagt er und kommt mit ausgebreiteten Armen einige Schritte auf uns zu. Sein Gesicht ist kantig, die Haut braungebrannt, das Haar frisch geschnitten. Er hat das Auftreten eines Filmstars. Nur die roten Hosenträger verraten seine Managerherkunft.
    „So viel Potenzial, so viele Möglichkeiten!“ Er lächelt. Seine Zähne sind so weiß, dass sie beinahe strahlen.
    Er wartet die Wirkung seiner Worte ab, schaut von einem zum anderen. Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich in der ersten Reihe stehe.
    „Viele von Ihnen habe eine lange Reise hinter sich“, fährt Mr. Thomas fort. „Ich möchte Sie deshalb nicht mit meiner Biographie langweilen – das Meiste dürfte Ihnen ohnehin bekannt sein –, doch eines möchte ich

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