Porterville - Mystery-Serie: Edition I (Folgen 1-6)
sich laut in das Papier, als Mr. Lundergaard meine Antwort notiert.
„Wie lange können Sie die Luft anhalten?“
„Das kann ich Ihnen so pauschal nicht sagen.“
„Es ist aber eine äußerst relevante Information“, entgegnet Mr. Lundergaard.
„Ich weiß aber nicht, wie lange ich die Luft anhalten kann. Tut mir leid.“
„Dann haben Sie jetzt die Möglichkeit, es herauszufinden“, entgegnet Mr. Lundergaard und zieht an einem Band, welches große Ähnlichkeit mit einem Schnürsenkel hat, eine Stoppuhr aus der Jackettasche.
„Sie wollen, dass ich die Luft anhalte?“, frage ich.
Er nickt.
„Jetzt?“
„Vielleicht möchten Sie dafür aufstehen. Es verbessert die Resultate häufig.“
„Das ist nicht ihr Ernst, oder?“
Professor Crown sieht noch immer aus dem Fenster. Mr. Lundergaard nickt nur und fixiert mich mit seinen kleinen dunklen Augen.
Ich stehe auf.
„Sie bestimmen, wann es losgeht“, sagt er und konzentriert sich bereits auf die Stoppuhr.
Ich atme einige Male tief durch und komme mir mit jedem Atemzug blöder vor. Fast bin ich so weit, den Test abzubrechen und Mr. Lundergaard zu sagen, was ich von seinen Fragen halte und dass er zurück auf seine Farm fahren soll, oder wo immer er auch hergekommen ist, doch dann presse ich die Lippen zusammen, die Luft bleibt in mir und mit ihr all die Worte, die nach draußen wollten, und beginne zu zählen. Etwas drückt von innen gegen meine Stirn. Zuerst bin ich mir nicht sicher, ob es die zurückgehaltenen Worte oder die Kohlenmonoxidmoleküle sind, aber als ich ausatme, bleibt nichts außer einer schmerzenden Leere zurück. Professor Crowns Höhle wird noch eine Spur dunkler. Von den Ecken her ziehen schwarze Schatten auf. Ich schnappe nach Luft. Siebenundsiebzig, verkündet mein inneres Zählwerk nicht ohne Stolz.
„Eins drei“, berichtigt mich Mr. Lundergaards Stoppuhr.
„Eine Minute und drei Sekunden?“, frage ich und atme ein, atme aus, atme ein. Das spärliche Licht kehrt zurück.
„Eins drei“, bestätigt Mr. Lundergaard und kratzt das Ergebnis in seine Unterlagen.
„Ist das gut?“ Es kam mir wie eine Ewigkeit vor.
„Für gewöhnlich verwende ich diese Begriffe nicht. Jedes Resultat ist individuell.“
„Aber ich habe bestanden?“
„Wir sind noch nicht fertig“, erwidert er und schlägt eine neue Seite auf. „Danke, Mr. Higgins, Sie können sich jetzt wieder setzen.“
Die Polsterung scheint in meiner kurzen Abwesenheit noch weicher geworden zu sein.
Professor Crown hat sich inzwischen dazu entschieden, dass ihn doch interessiert, was sich direkt vor seinem Schreibtisch abspielt, und dem Fenster den Rücken zugekehrt. Er betrachtet mich mit einem wohlwollenden Lächeln. Es verwirrt mich fast mehr als sein gerade überwundenes Desinteresse.
Mr. Lundergaard sagt etwas.
„Wie bitte?“, frage ich und versuche, mich zu konzentrieren.
„Ob Sie bereit sind?“
„Wofür?“
„Für die letzte Frage.“
„Fragen Sie.“
„Träumen Termiten?“, fragt er.
Stille senkt sich von den Regalen und Vorhängen herab. Mr. Lundergaards Züge sind ausdruckslos, seine Augen niedergeschlagen. Der Schnellhefter ruht auf den durchgescheuerten Knien.
„Sie kennen meine Antwort“, erwidere ich. „Sie haben meine Arbeit gelesen.“
„Also?“, fragt Mr. Lundergaard ohne aufzuschauen.
„Ja, sie träumen.“
Die kleinen schwarzen Augen blitzen auf. Die Regenwürmer in seinem Gesicht winden sich in heller Aufregung, als wäre endlich der lang herbeigesehnte Regenschauer gekommen.
„Fein.“
Mr. Lundergaard klappt den Schnellhefter zu, verstaut ihn in der Ledertasche und steht auf. Sein Händedruck ist nass und kalt wie der Rest von ihm.
„Wir bleiben in Kontakt, Mr. Higgins.“
Ich stehe auf, um ihn zu verabschieden. Aus der Nähe betrachtet wirkt er nicht nur dünn, sondern geradezu ausgemergelt. Nicht wie ein Farmer. Mehr wie ein Landstreicher.
Oder wie jemand, der eine lange Reise hinter sich hat.
- 2 -
Das königliche Paar bleibt ein Leben lang zusammen – häufig weit über 60 Jahre. Obwohl sie ihre Kammer, die Brutstätte eines neuen Imperiums, nicht verlassen können, scheinen sie einander nicht überdrüssig zu werden. Doch diese sehr vermenschlichte Betrachtungsweise täuscht: Es ist keine Liebe, sondern Notwendigkeit, die sie zusammenschweißt. Die Verpflichtung gegenüber ihren Kindern, gegenüber ihrem Staat.
„Orson Wells ist tot“, verkündet Kathy in einem bedeutungsschwangeren Ton, als
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