Portland Head Light
hatte. Aber scheinbar hatte nur der richtige Auslöser gefehlt. Und dieses Mädchen im Becken war in der falschen Sekunde am falschen Ort gewesen. Oder sollte er lieber sagen, sie war am richtigen Ort zur richtigen Zeit gewesen? Dominic war sich da nicht ganz sicher, und er hatte auf einmal das ungute Gefühl, dass ihm der richtige Auslöser noch nicht über den Weg gelaufen war.
„Cam, rede bitte mit mir“, bat Dominic einige Stunden später zum wiederholten Male, doch der schüttelte nur schweigend den Kopf und wich seinem Blick aus. Auch zum wiederholten Male.
Das tat er, seit sie wieder hier waren und selbst Montana hatte sofort gespürt, dass etwas nicht in Ordnung war und wich Cameron genauso wenig von der Seite, wie er selbst es tat, ohne dabei zu aufdringlich zu sein. Das hoffte Dominic jedenfalls. Er hatte den Wirbelwind in Ruhe duschen lassen, ihm etwas zu essen gemacht und danach den Fernseher eingeschaltet, um Cameron davon abzuhalten, weiter auf den Boden zu starren, als wäre er gar nicht anwesend. Geholfen hatte es nicht. Cameron schaute, seit sie im Wohnzimmer saßen, rigoros auf den Boden vor der Couch und kämpfte gegen die Tränen, und damit konnte er von Minute zu Minute weniger umgehen.
Schon als Cameron im Dezember bei ihm eingetrudelt war, hatte er mit dessen Tränen nicht umgehen können und deswegen nahm er jetzt auch Camerons Gesicht in beide Hände und hielt dessen Blick fest. „Glaubst du, ich weiß nicht, was in deinem Kopf gerade vor sich geht? Ich habe Tom damals drei Monate lang beim Sterben zugesehen, Cameron. Du bist damit nicht allein, verstehst du?“
Cameron schwieg weiter, aber seine zitternden Lippen, die Tränen in den Augen und der hilflose Blick sprachen dafür Bände. Dominic hielt den Augenkontakt und ließ nicht zu, dass sein Wirbelwind sich abwandte, obwohl der es noch mehrfach versuchte, bis Dominic schlussendlich die Faxen dicke hatte und Cameron einfach von der Couch auf seinen Schoß zog und ihn in die Arme nahm. Wenn Worte schon nicht halfen, dann vielleicht Gesten, war Dominics Gedanke dahinter und sein Plan ging auf.
„Ich habe alles versucht, bis sie mich von ihr wegzerrten. Dabei war sie schon tot, als ich sie aus dem Wasser hob. Ich wollte es nicht wahrhaben. Sie konnte doch nicht tot sein. Nicht in meinem Becken. Sie hat genauso gelacht wie das kleine Mädchen, genau so. Ich dachte, mich trifft der Schlag, als ich es hörte.“
Als Cameron nach seinen Worten endlich zu weinen begann und sich dabei an ihn presste, hätte Dominic vor Erleichterung am liebsten geseufzt. Stattdessen schwieg er, wartete einfach ab, ob Cameron weitersprechen würde und streichelte ihm derweil leicht über den Rücken, in der Hoffnung, Cameron dadurch vielleicht ein bisschen helfen zu können. Alles Andere würde sich finden.
„Ich habe es geliebt, im Wasser zu sein. Und was ist jetzt? Erst habe ich das Tauchen verloren und dann stirbt mir Madleen einfach so weg... Einfach so...“
Camerons Stimme brach weg und Dominic fasste einen Entschluss. Sie würden nicht nur nach Hause zu seiner Familie fahren, sondern weiter. Er würde Flüge nach Philadelphia besorgen und Cameron das Zuhause seiner Kindheit zeigen. Und dann würden sie nach Baltimore fahren, um David und Adrian zu besuchen. Von Philadelphia waren es nur zwei Stunden zu den Beiden und einen Mietwagen konnte er sich überall nehmen. Und dann... Dominic schluckte. Vielleicht wussten seine Eltern, ob seine leibliche Mutter noch immer in der Anstalt war, die auf den Briefen stand. Er würde mit ihnen reden, um es herauszufinden, und falls es nicht so war, würde er Adrian bitten, die Frau zu finden. Mit dem Weglaufen vor der Vergangenheit war ab sofort Schluss. Für sie beide.
- 8. Kapitel -
Liebster Dominic,
ich frage mich immer, was es damals ausgelöst hat. Was der Grund dafür war, dass mein Verstand eines Tages einfach diesen Schalter in mir umlegte und mich zu etwas verleitete, von dem ich zuvor nie gedacht hatte, dazu überhaupt fähig zu sein. Doch nun muss ich mir die Frage stellen, wozu ich wohl noch alles fähig wäre, wenn ich die Gelegenheit dazu hätte. Es ist verrückt. Ich bin verrückt, und an Tagen wie diesen, wo mein Verstand vollkommen klar ist und mir allein gehört, wünsche ich mir manchmal, ich wäre an jenem Tag mit deinem Vater gestorben.
Ein feiger Gedanke, nicht wahr? Dabei habe ich dich. Das, was es lohnenswert macht, am Leben zu sein. Viele Jahre sind seit jenem, furchtbaren Tag
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