Portland Head Light
vergangen, du bist groß geworden, gerade noch in den letzten Zügen als Teenager. Fast schon erwachsen. Warst du gut in der Schule? Wirst du aufs College gehen oder sogar studieren? Wirst du irgendwann ein Musiker sein wie dein Vater, oder wird die Welt dir einen anderen Weg aufzeigen? Warst du schon verliebt oder bist du es gerade? Hast du Hobbys? Freunde? Bist du glücklich?
So viele Fragen und keine Antworten. Ich wünsche mir, dass du es eines Tages tun und sie mir beantworten wirst. Ich werde es dir niemals vorwerfen, wenn du es nicht tust, aber ich werde hoffen. Denn die Hoffnung kann mir niemand wegnehmen. Immer, wenn ich klar denken kann, hoffe ich, weil ich weiß, dass du lebst und weil kein Brief an dich bislang zurückkam, was für mich bedeutet, dass deine neuen Eltern sie angenommen haben und sie dir geben werden. Es war und ist immer mein Wunsch gewesen, dass du diese Briefe erhältst, um dann selbst entscheiden zu können, was du damit tun wirst. Noch bist du zu jung in meinen Augen, um sie zu lesen, aber wer weiß in diesen Jahren schon, was jung ist?
Als du geboren wurdest, waren die Zeiten noch ganz anders. Dinge wurden anders gesehen als heute, und in wieder zehn oder fünfzehn Jahren, wird man sie erneut anders sehen. Die Welt entwickelt sich so schnell, das ich längst nicht mehr weiß, was heute aktuell ist, wie hier immer gesagt wird. In den Nachrichten wird ständig und zu jeder Zeit von Krieg und Tod berichtet. Ich sehe sie nur noch sehr selten, weil ich all diese Gewalt nicht mag, und weil ich wünsche und hoffe, dass du davon verschont bleiben wirst. Ich habe Angst, dass du, wie so viele junge Menschen es tun, zur Armee gehen wirst und dass es dich verändert. Denn ich sehe tagtäglich, was Gewalt, Tod und Schmerz in Menschen anrichten. Sie brechen sie, so wie sie mich gebrochen haben. Doch du sollst nicht brechen. Du bist mein Junge, mein Sonnenschein im Leben. Dir soll es immer gutgehen.
Ich springe in meinen Briefen oft zwischen den Zeiten, ich weiß, aber ich hoffe, es stört dich nicht. Es gibt unzählige Dinge, an die ich mich erinnere, die mir während des Schreibens der Briefe einfallen und die ich dann sofort mit dir teilen muss, bevor ich sie eines Tages endgültig vergessen werde.
Was würde ich nicht alles dafür geben, dich noch einmal sehen zu können, bevor das geschieht.
Ich liebe dich über alles,
Mum
Es war Zeit, dass Cameron ins Bett kam. Sein Wirbelwind brauchte dringend Schlaf. Doch Dominic traute sich eine ganze Weile nicht, die sie beruhigende Stille zu zerstören, die sich gebildet hatte, nachdem Cameron aufgehört hatte zu weinen. Stattdessen lauschte er auf jeden von Camerons Atemzügen, registrierte jede noch so kleine Veränderung von dessen Position auf seinem Schoß und schämte sich, als ihm dabei irgendwann der Gedanke kam, wie sehr es ihm gefallen würde, wenn Cameron nackt auf ihm saß. Wie konnte er jetzt und hier nur so etwas denken? Dominic schob die Vorstellung energisch beiseite, um sich wieder auf Cameron zu konzentrieren.
Es dauerte einzige Zeit, bis ihm auffiel, wie ruhig Cameron auf einmal atmete, und als er begriff, warum das so war, hätte er vor Freude am liebsten gelacht. Sein Wirbelwind war eingeschlafen. Endlich. Aber vor allem, Gott sei Dank. Denn Schlaf würde Cameron sicher helfen. Schlaf half immer, hatte seine Mutter ihm als Junge so oft gesagt und sie hatte Recht damit. Solange keine Alpträume die Nachtruhe störten, war Schlaf das Allerwichtigste, was es gab, wenn es einem nicht gutging. Jetzt musste er seinen Wirbelwind nur noch ins Bett befördern, ohne ihn dabei wieder aufzuwecken.
Dominic hob seine Hand, um einen kurzen, prüfenden Blick auf das wasserfeste Pflaster zu werfen. Es hielt. Trotz des doch ziemlich wilden Wasserballspiels. Er ballte trotzdem probehalber die Faust. Keine Schmerzen. Sehr gut. Montana miaute, als er mit Cameron auf seinem Schoß vorsichtig aufstand, was Dominic nur mit einem leisen „Scht“, kommentierte, woraufhin der Kater ebenfalls von der Couch sprang und immer ein paar Schritte vor ihm nach oben lief. Dominic grinste in sich hinein. Dieser Kater war und blieb unmöglich, aber Cameron würde es wohl kaum schaden, das Fellknäuel in seinem Bett vorzufinden, sobald er aufwachte. Deshalb ließ Dominic den Kater auch unbehelligt wieder am Fußende liegen, nachdem er Cameron ganz behutsam ins Bett verfrachtet und ihn zugedeckt hatte.
Seine Überlegung, Cameron die Hose und sein Shirt
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