Porträt eines Starters: Die Kurzgeschichte zum Roman »Starters« (German Edition)
mich in so einem Fall herausreden? Dass ich ihr etwas bringe, das sie vergessen hat? Lächerlich . Ich habe nicht einmal etwas dabei. Vielleicht könnte ich sagen, dass sie zurückkommen soll, weil Tyler dauernd nach ihr verlangt. Nur dass das nicht stimmt und sie bei ihrer Rückkehr erfahren würde, dass ich gelogen habe. Ich muss einfach dafür sorgen, dass sie mich nicht entdeckt.
Der Junge schleppt zwei Becher Eiskaffee heraus. Mein Mund fühlt sich pelzig an. Sie ziehen schwere Terrassenstühle zu sich heran, die über den Beton scharren. Ich drücke mich rasch in einen Hauseingang, als Callie sich umdreht.
Der Eingang gehört zu einer kleinen, zwischen zwei verbarrikadierten Läden eingezwängten Reinigung. Selbst hier, im reichen Beverly Hills, ist der Überlebenskampf für die Geschäfte hart. Aber jemand muss die Sachen der Enders reinigen.
Eine von ihnen, eine Dame in einem roten Kostüm, kommt näher, um einen Armvoll schmutziger Kleidungsstücke abzuliefern. Sie erstarrt, als sie mich sieht. Bekommt sofort Angst. Vor mir. Ich lächle, drücke mich eng an die Mauer und gebe ihr mit einem Wink zu verstehen, dass sie unbesorgt passieren kann.
Sie zittert ein wenig, als sie sich an mir vorbeischiebt und den Laden betritt. Ihr Parfum umweht mich wie der Duft eines Trauergestecks.
Ich halte kurz nach Callie Ausschau. Sie nickt, hört dem Kerl zu, nimmt einen Schluck Kaffee und wischt sich einen Klecks von der Lippe.
Mein Magen verkrampft sich. Ich atme tief durch und hole meine Trinkflasche aus dem Rucksack. Ich habe Durst, aber das Wasser ist so lauwarm, dass es kaum Erfrischung bringt. Kein Vergleich mit dem eiskalten Zeug, das sich die beiden reinziehen können.
Etwas Hartes bohrt sich in meinen Rücken. Ich drehe mich zur Tür um und ergreife allein bei dem Anblick fast die Flucht. Es ist der Inhaber der Wäscherei, ein Ender, der trotz seines Alters offenbar nichts von Schönheitschirurgie hält. Er hat in seinen zweihundert Lebensjahren so viele Runzeln angesammelt, dass sein Gesicht wie eine Halloweenmaske wirkt. Der Mann umklammert einen Besen.
»Verschwinde«, zischt der Alte. »Du vertreibst mir die Kunden.«
Die Ender-Lady in Rot versteckt sich hinter ihm, die frisch gereinigten Sachen so fest an sich gepresst, dass sie sie gleich wieder bügeln kann.
»Ich tu euch nichts«, erwidere ich so ruhig wie möglich.
»Verschwinde von hier!« Er stößt mich mit dem Besenstiel, als hätte ich die Tollwut. »Ich hole die Marshals.«
Ich spähe um die Ecke und sehe, dass Callie fort ist. Ich renne auf die Straße hinaus und blicke mich mit pochendem Herzen um.
Er keift mir nach. »Und lass dich nie wieder hier blicken.«
Ein Wagen hupt und überfährt mich beinahe, bevor ich zur Seite springen kann. Ich wechsle die Straßenseite. Callie und der Typ haben das Ende des nächsten Straßenblocks erreicht.
Ich werde schneller, wage aber nicht zu laufen. Sobald Enders einen Starter rennen sehen, rufen sie die Marshals. Besonders in einer Gegend wie Beverly Hills nimmt es da sehr genau. Wie alle anderen Orte hatte es schwer unter den Folgen der Genozid-Sporen zu leiden, durch die wir die gesamte Eltern-Generation verloren. Aber es blieb das Ziel von Leuten, die genug Geld hatten, um es für die neuesten technischen Spielereien und Designer-Klamotten auszugeben. Während in anderen Stadtteilen ganze Straßenzüge mit Brettern vernagelt wurden, machte hier nur jeder dritte Laden dicht.
Ich behalte Callie und den Jungen im Auge. Sie biegen in eine der kleineren Straßen ab, die ins Zentrum von Beverly Hills führen. Ich erinnere mich, dass mich meine Mom mal mit hierher nahm, als ich zwölf war. Damals hatte ich den Eindruck, dass in jedem Schaufenster Gold und Diamanten blitzten.
Aber Callie und der Typ bleiben nicht stehen, um die Schaufenster zu betrachten. Im Gegenteil werden sie immer schneller.
Was ist ihr Ziel?
Ich halte mich einen halben Straßenblock hinter ihnen und beobachte, wie sie vor einem fünfstöckigen Gebäude mit verspiegelter Fassade stehen bleiben.
Offenbar erklärt der Typ Callie etwas über das Gebäude.
Da öffnet sich die Tür und ein Mädchen tritt ins Freie.
.Und was für eins.
Mit ihrem langen, schwarzen Haar und dem gleichfarbigen, kurzen Kleid sieht sie umwerfend aus. Sie ist etwa so alt wie ich. Und ich kenne sie, stelle ich fest. Callie und der Kerl beachten sie kaum, als sie an ihnen vorbeigeht und die Straße in meiner Richtung überquert. Doch als sie näher in
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