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Portugiesische Eröffnung

Portugiesische Eröffnung

Titel: Portugiesische Eröffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Siler
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er und deutete zur Motorhaube. Er schob die Eier, deren braune Schalen sich von seinen kräftigen Fingern abhoben, vorsichtig in die Taschen.
    Lucifer knurrte und zog an der Leine, doch ich hielt ihn fest.
    Valsamis griff nach Aktentasche und Papiertüte. »Ich habe mir gedacht, Sie könnten uns einen Kaffee dazu machen.«
     
    »Sie sind ganz schön schwer zu finden«, sagte Valsamis.
    Ich zog den Mantel aus und füllte Lucifers Napf. Der Hund warf einen letzten Blick auf Valsamis und fiel gierig über sein Futter her.
    »Nicht mal Ihr Vater weiß, wo Sie stecken.« Er holte die Eier aus der Tasche und setzte sich an den Küchentisch. Es ging nicht ums Frühstück, er wollte mir zeigen, dass ich ihm nicht entkommen konnte. »Wie weit ist es von hier bis Collioure – fünfzig, sechzig Kilometer? Und Sie haben ihn nicht ein einziges Mal besucht.«
    Ich kippte Kaffeebohnen in die Mühle, schaltete die kleine Maschine ein, füllte das Kaffeemehl in den Espressokocher und stellte ihn mit einem Topf Milch auf den Herd. »Sie haben doch nicht den weiten Weg gemacht, um über meinen Vater zu reden.«
    »Das stimmt«, sagte Valsamis. »Ich nehme an, Sie haben über unser Gespräch nachgedacht.«
    »Warum gerade ich? Ich meine, warum brauchen Sie mich, um Rahim zu finden? Sind Leute wie Sie nicht dafür ausgebildet? Mich haben Sie doch auch gefunden.«
    »Er weiß, wo wir nach ihm suchen. Wir brauchen jemanden, dem er vertraut, der sich unauffällig umhören kann.«
    »Woher wollen Sie wissen, dass er mich überhaupt sehen will? Es ist viel Zeit vergangen.«
    Valsamis öffnete die Papiertüte und betrachtete den Inhalt. Er holte ein Pain au chocolat heraus und reichte es mir.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Sie waren doch mal ein richtiges Paar, wie ich gehört habe. Von wegen große Liebe und so weiter.«
    »Na ja, die Dinge ändern sich, oder?« Ich schaltete den Herd aus, goss die heiße Milch in zwei Keramikbecher, gab den Espresso darüber und reichte Valsamis einen Becher. »Gut, nehmen wir mal an, er möchte mich sehen. Woher wollen Sie überhaupt wissen, dass er in Lissabon ist?«
    Valsamis nippte an seinem Kaffee, brach ein Stückchen Croissant ab und lächelte verhalten, als freue er sich über meine Kapitulation, als habe er die ganze Zeit gewusst, dass ich letztlich nachgeben würde. »Wir haben Grund zu der Annahme, dass es seinen Interessen dienlich ist.«
    »Darauf möchte ich wetten.«
    Valsamis sagte nichts dazu, sondern öffnete seine Aktentasche und holte ein dickes Bündel Euroscheine hervor. »Pour les frais«, sagt er. Spesen. »Sie brechen heute Morgen auf.«
    »Soll ich selbst fahren?« Ich musste einen Augenblick überlegen, bis ich auf Französisch umgeschaltet hatte.
    Valsamis nickte.
    »Und wenn ich in Lissabon bin?«
    »In der Pensão Rosa ist ein Zimmer für Sie reserviert. Kennen Sie die Pension?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Sie liegt im Bairro Alto. In der Rua da Rosa. Sie werden sie ohne weiteres finden. Dort nimmt jemand Kontakt zu Ihnen auf.«
    Sein Akzent war tadellos, sein Französisch ohne Fehler und zweifellos besser als mein Englisch. Es war eine Demonstration, dachte ich bei mir, genau wie die Geschichte mit den Eiern. Damit ich von Anfang an begriff, wer hier das Sagen hatte.
    Valsamis klappte seine Aktentasche zu und stand auf. Kaffee und Croissant waren fast unberührt.
    »Und wenn ich ihn finde?«
    »Darum werden wir uns kümmern.« Er wollte gehen, drehte sich aber noch einmal um. »Betrachten Sie es mal so, Nicole. Auf diese Weise können Sie Ihrem Land etwas zurückgeben.«
     
    Jemand hatte einmal gesagt, es gebe keine zufälligen Amerikaner. Dass wir uns alle ganz bewusst für eine Staatsangehörigkeit entscheiden. Natürlich hatte das ein Franzose gesagt, irgendein selbsternannter moderner Philosoph, der sich in einer politischen Diskussionssendung auf France 2 äußerte. Daher hatte ich die Theorie immer ein wenig skeptisch betrachtet. Jedenfalls habe ich mich nicht bewusst entschieden, Amerikanerin zu werden. Ich bin im Libanon aufgewachsen und habe danach fast immer in Europa gelebt. Ich betrachte Frankreich als meine Heimat und habe den einzigen Beruf gewählt, in dem sich solche Dinge verändern lassen. Ich bin mein eigenes universelles Konsulat. In wenigen Stunden kann ich mir jeden nur denkbaren Pass zurechtbasteln.
    Wenn überhaupt, bin ich eine Promenadenmischung, die Tochter eines Herumtreibers und Betrügers. Meine Mutter war halb Französin, halb Maronitin und

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